Kopie der Zeitung „Zions-Bote“ vom 29. Juni 1892, S. 2. (gotisch) von Elena Klassen.
Asien.
Gnadenthal, 29 April 1892.
Gruß an alle Zionspilger mit Ebräer 10, 35, 36!
Es wurde mir heute so groß, als ich allein in Zimmer saß (die Schwester sammt dem Dienstmädchen, wie auch Franz arbeiteten im Garten, der Schwager war nach dem Russendorf gefarhren), und viele Geschwister gingen und fuhren dem Abschiedsorte Gnadenfeld zu, allwo die Geschwister, die nach Amerika auswandern wollen, sich versammelten, um noch einen Abschied zu machen. Mir wollte die Geduld recht wenig werden, zumal ich auch gerne hätte mögen dort sein, es mir aber nicht möglich war, denn wir hatten kein Pferd zu Hause und konnte also nicht fahren. Ich habe nämlich einen kleinen Wagen und der Schwager hat zahme Pferde und so krieg`ich`s denn notwendig fertig, da´ich allein fahren kann. Es hat auch niemand daran gedacht, mich mitzunehmen. Thränen flossen mir über die abgehagerten Wangen, dachte über den gestrigen Spruch, den ich gestern Abend zog, nach: „Des Herrn Rath ist wunderbarlich, aber Er führt es herrlich hinaus.“ Ja, dachte ich, es ist wirklich wunderbar, wie der Herr den Menschen führt, einen jeden ins Besondere. Ich danke dem Herrn, daß Er alle wohl macht und herrlich hinausführt und alles wohlmachen wird. Es währt nicht lange, so bin ich bei meinem Heiland, gelöst von allen Fesseln, die mich jetzt von manchem Segensgenuß zurückhalten. Also wurde ich es inne, wie es notthut, um zur rechten Zeit Geduld zu haben. Will mich denn auch stets an das Wort halten: „Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“
Mir fallen oft die Worte des Heilands ein, als er die zwölf seiner Jünger fragte, da viele von ihm gingen, als Er ihnen die Wahrheit gesagt hatte: „Wollt ihr auch weggehen?“ Petrus antwortet: „Herr, wo sollen wir hingehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ Und so sage auch ich wie Pertus: „Ich will bei meinem Herrn bleiben, bei dem ich`s in Zeit und Ewigkeit gut habe.“ Er stärke mir den Glauben, schenke mir Geduld und Ausdauer im Kampf, bis ich vom Glauben zum Schauen gelangen werde.
Die Geschwister die heute auf Mittag abgereist sind nach Amerika sind: Kornelius Reimer, ihre Kinder Joh. Schmidten; David Reimers, Tobias Schmidten, Peter und Bernhatd Wiebe, Wilhelm Giesbrecht Jun. und der ledige Br. Peter Reimer, ein Neffe des Kornelius Reimer.
Gestern wurde der irrsinnige Heinrich Kröker nach Taschkent abgefahren, um ihn dort in einer Irrenanstalt unterzubringen, ob vielleicht noch Hilfe für ihn sei. Er ist ein Sohn des Jakob Kröker, fr. Kuban. Er verheiratete sich im Jahre 1888, am 17. Dez. mit Maria Wiebe, Tochter des Joh. Wiebe, fr. Wernersdorf. Am 16. Okt. 1888 (? – E.K.) wurde ihnen eine Tochter geboren, die nach etlichen Tagen starb. Am 26. Okt. 1888 wurde seine Frau von ihm genommen, weil es nicht länger ging seines Unverstandes halber. Seine Frau ist bei ihren Eltern, Wieben, hat es sonst sehr gut, doch giebt ihr das sehr viele schwere Stunden. Kröker ist jetzt im 33. Jahre und seine Frau im 25. Der Anfang von seinem Zustand ist schon etwas vor seiner Verheiratung, jedoch nicht jedermann offenbar, er hat sich noch ziemlich zu halten gewußt.
Am 31. dies. Mts. war der Natschalnik von Aulieata hier in der Ansiedlung, um noch Land anzuzeigen für Ansiedler. Er hat gesagt, daß die hier wohnenden Mennoniten ganz frei vom Sanitätsdienst sind, auch daß niemand mehr deswegen gefordert werden würde; auch das Waldpflanzen, womit er früher gedroht, ist aufgehoben. Obwohl hier noch keine persönlichen Dienste geleitet sind worden, sind diejenigen, die das Loos getroffen, doch immer bei der Behörde als Militärpflichtige in die Bücher eingetragen worden und bekommen nicht Pässe zur Auswanderung. Jetzt bekommt jeder, daß Gottes Wort sich noch immer bestätig. Der Herr hat auch die Herzen der Großen in seiner Hand und regiert sie wie Wasserbäche. Ihm sei Dank und Ehre für alles Gute. Vorhergehendes hat der Natschalnik schriftlich eröffnet.
Was meine Gesundheit anbetrifft, so ist dieselbe noch immer sehr schwach, das Schreiben fällt mir recht schwer, doch meine Liebe zu Euch giebt mir Mut.
Vergangenen Sonntag feierten wir noch da heilige Abendmahl und auch ein Liebesmahl. Nach dem Liebesmahl hielten die Brüder Peter und Bernhard Wiebe noch eine Abschiedsrede. Br. Peter Wiebe sprach zuerst über Offb. 2, 10, über die Worte: „Sei getreu bis in den Tod.“ usw. Und an die Gemeinde eine Ermahnung über Ebr. 13, 20., 21. und empfahl sich der Fürbitte der Gemeinde, wozu er noch den 18. Vers desselben Kapitels vorlas. Br. Bernhard Wiebe sprach über Matth. 5, 13 – 16.
Haltet in betendem Andenken Euren Mitpilger
Kornelius Dück.
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