Kopie der Zeitung „Mennonitische Rundschau“ Nr. 38, vom 23. September 1885, S. 1. (gotisch) von Elena Klassen.
Kansas.
Canada, 17 Sept. Dies Mal ist wohl die neuliche Ankunft der Einwanderer aus Asien das wichtigste Ereigniß, das in den Rahmen unserer “Rundschau” paßt. Ja, Gott sei gedankt, die lieben Reisenden haben glücklich ihr Ziel erreicht und wir haben nun von ihnen mündlich gehört, wie es ihnen auf dem langen Wege ergangen und auch wie die Verhältnisse in Asien sie zum Auswandern bewogen. Die ganze Gesellschaft, die übrigens von Anfang an getrennt reiste, bestand, wie bekannt, aus 21 Familien, wovon 12 Familien schon in Herbst 1884 durch amerikanische Hilfe das nöthige Reisegeld besaßen. Für weitere 3 Familien wurde im Verlauf der Zeit auch noch gesorgt, während 3 andere Familien theilweise eigenes Reisegeld hatten, jedoch 3 Familien, nämlich Heinrich Janzens, fr. Lichtfelde, deren Kinder Gerhard Koopen und Witwe D. Wiens mit fünf Kindern, wagten es, sich ohne Reisegeld der Gesellschaft anzuschließen, hoffend, wären sie erst einmal auf der Reise, so würde wohl auch weiter Rath sein. Hauptsächlich zählten sie auf Hilfe von Amerika, die denn auch richtig kam. Die lieben Leser der „Rundschau“ haben dazu ebenfalls in schöner Weise beigesteuert.
In Orenburg traf die ganze Gesellschaft zusammen, zum Auswirken der Pässe, aber war es nöthig, daß mancher nach der Saratow`schen Ansiedlung, ein Anderer nach der Molotschan und ein Dritter noch anderswohin reisen mußte, wobei noch einige die Sehnsucht trieb, ihre frühere Heimath und Freunde zu besuchen. So kam es denn, daß auf dem Schiffe, welches am 26. August Bremen verließ, nur 15 Familien sich zusammenfanden. Peter Töws, sein SchwiegersohnH. Peters und Johann Neufeld sind inzwischen schon nachgekommen und zwar über Hamburg, doch Peter Horn und Heinrich Nickel noch nicht, mögen vielleicht ihrer dienstpflichtigen Söhne halber Schwierigkeiten zur Erlangung von Pässen haben. Ebenso ist auch Johann Bergen noch nicht angelangt, doch wird erwartet, daß dieser mit Cornelius Janzen, Sohn des Heinrich J., bald eintreffen wird. Letzterer war in Paßangelegenheiten nach der Molotschan gereist und hatte die Gesellschaft so verlassen, daß er zu guter Zeit bei Eidkuhnen an der Grenze die Reisegesellschaft erwarten werde, als diese aber da eintraf, war Cor. J. noch nicht da, nicht einmal ein Brief von ihm. Das Logiren dort kam den unbemittelten Reisenden zu theurer, so begab man sich denn auf die Weiterreise. Von erwähntem C. J. sind bis jetzt noch keine Nachrichten angelangt. Die 18 Familien, die nun Amerika erreicht haben, vertheilen sich auf die verschiedenen Staaten , wie folgt:
Heinrich Funk Minnesota
David Schulz Dakota
David Schmidt “/”/”
Cornelius Funk Kansas
Cornelius Reimer “/”/”
Jakob Funk “/”/”
Benjamin Wedel “/”/”
Heinrich Janzen “/”/”
Gerhard Koop “/”/”
Isaak Koop “/”/”
Georg Rüffel “/”/”
Wwe. Wiens`Familie “/”/”
Johann Neufeld “/”/”
Franz Kröker “/”/”
Cornelius Esau “/”/”
Peter Eck “/”/”
Peter Töws “/”/”
Heinrich Peters “/”/”
Die meisten der Neuangekommenen, die sich in Kansas befinden, waren letzten Sonntag auf der großen Verasmmlung in Johannesthal (nahe Hillsboro), wo die Mennoniten – Brüdergemeinde Tauffestund Liebensmahl unterhielt. Nachmittags gegen Schluß der Versammlung theilte Aeltester A. Schellenberg mit, daß die Neuangekommenen aus Asien auf der Plattform vorne Platz nehmen würden, daß jeder sie sehen und kennen lernen möge. Es war eine nicht geringe Bewegung in den Reihen der vielen Anwesenden, als die Weitgereisten, für die manche Bitte zum Herrn emporgeschickt war, nun auf die Plattform stiegen. Heinrich Janzen, als den Jahren nach am ältesten, wurde aufgefordert, einiges von der Reise zu erzählen, welchem Wunsche er auch entsprach, nachdem er zuvor ein öffentliches Dankgebet hielt. Mehrere der Neuangekommenen danken Gott unter Thrränen, daß sie nun endlich das Ziel der Reise erreicht hatten. Alle lauschten der Erzählung des erwähnten H. J. und die innige Theilnahme wurde durch eine sofort veranstaltete Collecte bewiesen. Jeder der neuangekommenen erhielt für sich und jede Seele in seiner Familie $ 1.00, mancher Hausvater also bis $ 5.00 und mehr. Bis heute befinden sich die „Asiaten“, wie sie wohl noch lange heißen werden, bei ihren Freunden. Einer oder der Andere aber hat schon ein Anerbieten in bezug auf die Zukunft angenommen und ich hoffe, daß Allen durch theilnehmende Liebe so weit geholfen werde, daß sie nach und nach auf eigenen Füßen stehen können. Ich habe den Eindruck erhalten, daß sie Alle arbeitsame Leute sind, die gern mit ihren Händen schaffen wollen, um ihr eigenes Brod essen zu können. Möge der Herr sie reichlich segnen und ihr Schutz sein, wie Er sie ja auch soweit wunderbar geführet hat.
J. F. H.
Etwas von der Reise von Asien nach Amerika.
Da wir jetzt endlich in Amerika angekommen sind, so fühle ich mich verpflichtet den lieben Lesern sowohl, als auch Freunden und Bekannten, etwas von der Reise zu erzählen.
Den 23. April (alten Styls) reisten wir von unserer Heimath in Asien weg. Wir waren 21 Familien und reisten in drei Zügen. Der erste Zug bestand aus Folgenden: Peter Töws, Heinrich Peters, Johann Nufeld und Franz Kröker. Mit Letzterem trafen wir in Bremen zusammen; die ersten drei Familien haben wir nicht mehr gesehen. Der zweite Zug bestand aus Heirich Nickel (2 Wagen), Peter Horn, David Schmidt, Isaak Koop, Georg Rüffel, Wittwe D. Wiens, Peter Eck und David Schulz. Im dritten Zug waren Cornelius Esau, Heinrich Janzen, Heinrich Funk, Benjamin Wedel und Jakob Funk (letztere zwei Familien auf einem Wagen), Cornelius Funk, Cornelius Reimer, Gerhard Koop und Johann Bergen.
Der erste Zug hatte es wohl von Haus aus darauf abgesehen nicht mit uns zusammen zu reisen. Die Andern thaten es deshalb um schneller wegzukommen, denn wenn der Zug zu groß ist giebt es viel Aufenthalt wenn etwas zerbricht oder vorfällt; zum Andern bekommt man leichter Wasser bei den Stationen wenn es ein kleiner Zug ist. So resiten wir bis zur Stadt Perows (Fort Perowsk – E.K.), da trafen wir mit dem zweiten Zug zusammen und feierten Pfingsten. Dann zogen wir fort bis Kasanliesk (Kasalinsk? – E.K.) und zwar auf die Weise: Der zweite Zug war etwas voraus und wenn da etwas an den Wagen zerbrach oder sonst etwas vorfiel, hatten sie Aufenthalt und dann fuhren wir an ihnen vorbei, bis wir wieder Versäumniß hatten, dann eilten sie wieder an uns vorbei.
Kasanliesk ist vor der Wüste und hier ruhten wir einige Tage aus, kauften Futter und was sonst nöthig war auf acht Tage (es sind nahe an 300 Werst bis Irgis). Die Hälfte von dem Hafer wurde auf Kameele geladen, welche diesen Vorrath bis auf den halben Weg tragen mußten, und da war denn auch der schwerste Sand vorbei. Die Wüste ist ein dürres Land mit vielen Sandbügeln, hin und her sind auch Gesträuche und da wo der meiste Sand ist stürmt es auch, wenn Wind ist, sehr mit Sand, dann ist schlecht zu fahren. Ein Stationsgebäude war bis zur Hälfte der Fenster untergeweht und die Leute waren genöthigt ein neues an einen andern Ort zu bauen und das Alte wird nach und nach, wenn es so fortgeht, begraben. Gesagt wurde uns, in der Wüste könnte es so heiß sein, daß wir umkommen würden, weil auf Stellen kein Wasser ist.
Als nun die Reise von Kasanliesk ging, so war das Herz doch etwas schwer, zwar glaubten wir, der Herr würde und durchhelfen, so war doch der erste Tag ziemlich warm. Doch der Herr erhörte unser Seufzen und schenkte etwas Regen und kühle Tage, mitunter so stark kühl, daß, wer einen Pelz hatte denselben den Tag über fest zugemacht auf dem Leibe hielt und man schon anfing zu sprechen: Es könnte doch etwas wärmer sein. Einen Tag kam es doch noch vor, daß wir bei großer Wärme beinahe den ganzen Tag ohne Wasser fahren mußten, so daß Cornelius Reimer`s Pferd vor dem Wagen hinfiel und es schien als ob es nicht mehr lange leben würde, doch suchten wir alle Mittel zusammen, banden den Wagen an einen andern an und R. mußte das Pferd reitend schnell weiter führen, bis wir endlich ein Wasser erblickten; o dann welche Freude!
An einem Montag hatten wir wieder ein Schweres vor uns, dann hieß es 45 Werst kein Wasser und 15 Werst sehr schwer Sand.Doch wurde auch von Andern gesagt, es seien etwa über die Hälfte des Weges Brunnen zu finden, und der Herr öffnete uns die Augen, daß wir, wie einst die Hagar, diesen Brunnen zu unserer großen Freude und Hilfe fanden.
Also kamen wir mit Gottes Hilfe durch die Wüste bis Irgis; dann war uns wohl zu Muthe. Feierten da Sonntag und setzten dann die Reise fort bis Orsk und dann durch`s Uralgebirge, wo wir mitunter große Berge übersteigen mußten; trafen Wald und schöne Thäler, mehrere Dörfer und überall Ackerland, daß man dachte: Wie doch die Leute hier ackern könnten! Dann folgte die große Stadt Orenburg, wo wir acht Tage geruht und uns die Pässe ausgewirkt haben. Hier fängt also die Eisenbahn an, doch weil wir hier unsere Pferde und Wagen sehr billig verkaufen sollten, wollten wir nach dem Trakt reisen, erhielten aber eine Antwort auf unser Schreiben, welche uns nach der Samarischen Ansiedlung hinwies, indem dort unsere Fuhrwerke zu verkaufen wären, weil auf der Saratow`schen Ansiedlung Mißernte wäre und so reisten wir nach der Samarischen Ansiedlung, wohl 1000 Werst, der Weg dahin führt durch viele Dörfer, alle von Russen bewohnt, auch durch einen großen Wald, wo viele Erdbeeren waren, nur Schade wir konnten uns wenig davon zueignen, denn wir hatten nicht Zeit. Doch haben diese Beeren uns recht viel Schweiß gemacht, denn oft standen sie so schön roth im kühlen Schatten unter den Bäumen, daß man es sich gelüsten ließ, sie zu schmecken und so ging es von einer zur andern, bis endlich die Fuhrwerke weit fort waren und wir mitunter bis 5 Werst laufen mußten.
Als wir in der Stadt Buseluk (Busuluk – E.K.) ankamen forschten wir nach einem deutschen Mann, der uns weitere Marschroute geben möchte. Bald fanden wir einen solchen, der uns richtig den Weg bezeichnen konnte, nahm uns auch sehr freundlich auf, bewirtheteuns mit Essen (d.h. einige Männer von uns) und zum Abschied gab er uns ein Stück Schinken und kaufte 25 Flaschen Bier, begleitete uns damit bis vor die Stadt und gab einem Jeden, Groß und Klein, zu trinken, was uns auch gar nicht schwer fiel, denn es war sehr warm. Es war uns also sehr wichtig, von einem fremden Menschen mit so viel Liebe begegnet zu werden. Wir reisten dankbar unsern Weg weiter und kamen 10. Juli zu den Samarischen Mennoniten hin, welche uns sehr freundlich aufgenommen haben. Sie beschenkten uns mit Kleidern und auch mit Geld. Ich habe 43 Rubel erhalten, wovon 18 für meine Frau, zur Pflege auf dem Wege, bestimmt waren, indem sie da zur Entbindung gekommen war. Sie hatten etwas über 300 Rubel zusammen gelegt und zur Reise von ihnen bis zur Stadt Samara, welches 120 Werst sind, nahmen sie Fuhrwerke an und bezahlten dieselben auch. Ein so liebevolles Entgegenkommen hatten wir nicht erwartet, können es auch nicht vergelten.
Von Samara ging es auf der Bahn schnell weiter, von einem Zug in den andern, bis wir nach Bremen, Deutschland, kamen, wo wir eine Woche warten mußten. Drei Tage durften wir nur bezahlen, das übrige, sowie auch das, was es ....auf dem........(unleserl. – E.K.)...kam, hat die Gesellschaft bezahlt....den Ocean ging es sehr gut. Einige haben die Seekrankheit nicht bekommen. Neunundeinhalb Tage sind wir auf dem Schiff gewesen. Am 5. September kamen wir in New Jork an und am 10. September waren wir hier in Kansas. Wir sind also vier Monate und fünf Tage auf der Reise gewesen. Man war auch schon ganz müde und sehnte sich dem Ziele entgegen. Dem Herrn sei Dank, es hat ein Ende und wir befinden uns in der Mitte von Freunden und Geschwistern. Die Reise war ja mit viel Beschwerden verbunden, schaut man aber jetzt zurück, so muß man sagen: Es ist immer gut gegangen.
Zum Schluß liegt es mir noch am Herzen, allen Denen zu danken, die etwas zu unserem Herüberkommen beigetragen haben. Kann es mir gut vorstellen, daß Einer und der Andere von seinem nöthigen Gelde aus Mitleid zu uns zu unserer Hilfe beisteuerte; habt Dank dafür, ihr Lieben. Und ferner, die ihr so viele Mühe und Arbeit mit uns gehabt (denn es muß Alles geordnet und bestellt werden und ich denke, es hat recht viele Arbeit und Mühe gegeben), euch kann ich auch nicht mehr als nur danken und wissen lassen, daß wir nun hier sind und daß das Geld gut ausgereicht und eine sehr große Freude gemacht hat, als es dort ankam.
Ich für mein Theil fühle mich glücklich, daß ich hier bin. Wie es weiter werden wird, weiß ich eben nicht, doch überlasse ich es in der Hoffnung und Glauben dem Herrn unserm Heiland, der uns ja auf dem langen Wege versorgt und uns durchgeholfen hat, Er wird auch weiter helfen.
In der Hoffnung, daß die „Rundschau“ diese Zeilen einem jeden Geber und Arbeiter in`s Haus bringen wird, schließe ich mit dem Wort des lieben Heilandes: „Was ihr einem dieser Geringsten gethan habt, das habt ihr mir gethan.“
Euer Mitpilger
Jakob Funk. |