Kopie der Zeitung „Mennonitische Rundschau“ Nr. 29 vom 22. Juli 1885, S. 1. (gotisch) von Elena Klassen.
Asien.
Irgis. (heute in Kasachstan – E.K.) 2. Juni 1885.
Wir sind ungefähr 1400 Werst gefahren und sind bereits fünf Wochen auf der Reise. Morgen treten wir, so es Gottes Wille ist, die sechste an, und ...(unleserl. – E.K.) bis zum Trakt (Wolga) vielleicht noch fünf Wochen, wenn wir uns in Orenburg nicht lange aufhalten werden. Den gefährlichsten Ort, den wir uns auf unserer Wagenreise dachten, haben wir jetzt hinter uns.
Vorgestern, den 31. Mai kamen wir hier an. Ehe wir zum Abfahren kamen, trieben uns die Russen, welche die Wüste kannten, zur Eile an; sie sagten, wir würden wegen Hitze und Ungeziefer nicht durchkommen können. Doch der Herr hat uns daselbst kühles, meistens dunkles Wetter geschenkt, so auch Regen, daß wir wegen Hitze und Ungeziefer besser reisen konnten. Uebrigens ist es ja auch nur eine der kleinsten und gefahrlosesten Wüsten, sonst würden wir unmöglich mit Wagen und Pferden durchgefahrehn sein. Ein Wagen ist sonderbar schwer fortzubringen, wenn er auf losem, trockenem Sande schwebt. Die Kameele schaffen ihn besser weg als Pferde. Was jetzt noch an Besorgniß und Kümmernissen besonders schwer auf unsern Herzen liegt, ist die Geschichte mit den Papieren. Wie wohl bekannt sein wird, wollen wir in Orenburg Versuche machen um die nothwendigen Papiere zu bekommen. Weniger schwer als dieses sind die Gedanke, ob auch für die Familien, welche ohne besondere Aufforderungen die Reise angetreten haben, Geld sein wird, denn darin vertrauen wir, wenn nur je Rath sein wird, so wird geholfen werden. Jedoch erwarten wir nähere Anweisungen am Trakt zu erhalten.
Den Familien, welche kein geschicktes Geld haben, wird entweder von solchen geholfen, die ihr eigenes Geld haben oder Andere, die Geld bekommen haben und dabei noch eigenes zusammengebracht haben, legen zusammen und geben von dem Hülfsgeld ab, so viel sie können. Auf solche Art hoffen wir Alle zusammen bis zum Trakt zu kommen, wenn nicht besondere Unglücksfälle vorkommen. Natürlich soll am Trakt Alles zurückgegeben werden, was nicht entbehrt werden kann. Wenigstens was von Eigenem gegeben, soll zurückerstattet werden.
Ich denke, daß die Familien, die da kommen, doch dem Namen nach alle bekannt sind, doch kann ich, weil nicht einem Jeden durch`s Committee geholfen wird, die Namen noch schreiben: David Schmidten, David Schulzen, Peter Ecken, Isaak Koopen, Georg Riffel, Witwe Dietrich Wiens, Heinrich Nickels, Peter Horn, Franz Kröker, Benjamin Wedel, Jacob Funk, Kornelius Funk, Kornelius Reimer, Johann Bergen, Kornelius Esau, Heinrich Janzen, Gerhard Koop, Peter Toews, Heinrich Funk, Johann Neufeld und Heinrich Peters, Toewsens Schwiegersohn. Dies ist die Zahl der Familien, die auf der Reise sind: Alles zusammen 21 Familien und ungefähr 126 Seelen, soviel ich die Familien der Zahl nach kenne, denn wir weisen nicht alle zusammen. Wir sind nur 9 Familien, die Anderen sind voraus. Zwei Seelen sind auf dem Wege schon geboren: Johann Bergens haben einen Sohn und K. Reimers eine Tochter. Letztere wurde geboren den 30. Mai Abends, zwei Stationen von hier; gleich den andern Tag fuhren wir weiter, bis hier; jedoch geschah es nothgedrungen, weil das Futter, welches wir mitgenommen, meistens zu Ende war. In der Wüste bekommt man nichts. Hier haben wir gestern deswegen gelegen, weil die Betreffende sich ein wenig erholen muß und auch sonst etwas Ruhe für Menschen und Vieh sehr nothwenig ist, um von den Strapazen der Wüste auszuruhen.
Die Gesundheit ist im Ganzen hier noch recht gut, nur haben sich Einige erkältet, besonders die Kinder leiden am Husten. Die asiatischen Gegenden haben die Beschaffenheit, daß es bald sehr kühl ist, wenn es regnte oder dunkel ist. So ist die Luft oft scharf in der harten Abwechslung von sehr heiß auf ziemlich kalt und zieht Erkältung nach sich. Unsere liebe Mutter hat sich auch sehr erkältet und ist gar nicht gesund; auch hat sie sich mit Gehen ein wenig anstrengen müssen, wenn es im Sand etwas zu schwer wurde.
Es reist sich hier in diesen Ländern sehr gut, so daß man zu den Kirgisen zutraulicher wird als zu den Russen. Man hat uns bis dahin noch nichts entwandt. Wir legen und des Nachts hin und schlafen in guter Ruhe ohne zu wachen. Jedoch ist es ja der Herr, unser Heiland, der uns bewahret hat, sonst könnte schon Vieles geschehen, denn fähig sind auch die Kirgisien zu Allem. Jetzt ist der sechste Sonntag gewesen. Den füngten Sonntag waren wir in der Wüste. Das war mir ein besonderer Sonntag. Das Wasser hatten wir etwa 2 Werst vom Wege ab in die Wüste; wir mußten es in tief.....(unleserl. – E.K.) oder reitend holen. Man ist aber schon sehr froh wenn man nur zur Nothdurft zu Wasser kommt. Das sind besonders die Mühseligkeiten der Wüste, wenn man Lasten tragen muß, wo es ohnehin schon schwer zu gehen ist.
Es thut mir sehr leid, daß mein Bruder Heinrich zurück geblieben ist, doch es wollte nicht anders gehen, auch wollte man ihn sehr gerne in der Schule behalten; er hatte vorigen Winter über 40 Schüler.
Nebst herzlichem Gruß
Kornelius Janzen
Für Auswanderer von Asien nach Amerika –
Durch P. F. in Fairburh, Neb., gesammelt in der Krimer Menn. Brüdergemeinde $ 13. 10. |