Kopie der Zeitung "Zions-Bote" Nr. 14, vom 4. April 1906, S. 7. (gotisch) von Elena Klassen.
Asien, Nikolaipol, 13. Februar.
Zuerst will ich berichten, wie so väterlich der treue Herr uns bisher beschützt hat, trotzdem es stürmt und tobt in der Welt. Eines Abends, als ich hörte, wie es in unserer gewesenen Heimat schon zuging, daß schon mehrere Gutsbesitzer überfallen waren, da wurde es mir so eng in der Brust, aber da nahm ich das Testament und wollte sehen, was der liebe Herr mir sagen würde. Da traf ich den 56. Psalm und besonders waren es die Verse 5, 11 und 12, durch die es ganz stille in mir wurde.
Vergangenes Jahr den 11. Sept. starb meinem lieben Br. Wilh. Dück die Gattin. Die kleinen Waisen jammerten über ihre Mutter, aber es ging da durchs Sterben zum Leben für die liebe Maria, die da heim ging zu ihrem Heilande, auch für Br. Wilhelm. Den 6 November starb unsere liebe Mama nach einer 14 tägigen Krankheit. Schmerzen hatte sie keine, sie war sehr müde und hatte großen Durst. Ihr Pilgerlauf war ein sehr schwerer, ja ihr Weg durch dieses Leben war meistens dornig und die Rosen, die sie gepflückt hat, waren die Erhörungen des Gebets, die hat sie besonders erfahren an den Krankenbetten. Es sind jetzt bald 25 Jahre, als sie vom Herrn sehr stark aufgefordert wurde, als Hebamme zu dienen. Anfänglich weigerte sie sich, konnte aber nicht loskommen von den Mahnungen, und so ging sie in die Lehre bei Frau Albrecht in Wernersdorf. Sie damals 46 Jahre alt und dazu ziemlich gebrechlich an ihrem Körper, aber sie wußte ja auch, daß die Gemeinde die Witwe Gerh. Fast lehren ließ, da wollte sie auch nur behilflich sein, aber was geschah? Witwe Fast blieb zurück und sie mußte die Arbeit allein übernehmen. Es hat auch immer gut gegangen, sie hat nur dreimal einen Arzt gebraucht, und das will so viel sagen, daß der Herr mit ihr gewesen ist. Sie hat dem Heiland dafür in den Versamllungen gedankt. Auch ist sie sehr viel krank gewesen, aber immer lenkte der treue Herr es so, daß es gehen konnte, und besonders on letzter Zeit. Bei rechtzeitigen Entbindungen ist sie über 500 mal gewesen und in den Anfangsjahren ging es durch große Armut und Entbehrung.
Zwei Tage vor ihrem Abscheiden fragte ich sie, ob sie mir auch noch was zu sagen habe, da sagte sie: Mein Kind, mir ist aber so wohl zu Mut, un wenn ich scheide und ich sollte Euch nicht mehr was sagen können, das könnt Jhr wissen, ich gehe zu meinem Heilande, den ich schon in diesem Leben habe kennen gelernt. Und es kam so, sie war durch den Tod schneller durch, als sie es selbst geglaubt hatte. Unser Papa ist diesen Winter auch sehr kränklich, er ist bei Br. Wilh. Dück. Meine Eltern sind Leonhard Dücken. Wenn ich nicht ausführlich genug habe geschrieben, so möge man uns einen Brief schreiben, werde dann antworten.
Gestorben sind noch die alte Tante Jak. Reimer, den 29. Nov. Auch sie ging müde von der Reise und lebenssatt ein zur ewigen Ruhe. Alt geworden 79 J. 4 M. und 23 T. Der alte Onkel lebt noch, ist schon über 80 Jahre alt und dazu ganz blind. Er sehnt sich sehr, daheim zu sein bei dem Herrn. Er ist jetzt bei seinen Kindern.
Es geschah in unserm Dorf am 31. Januar ein schreckliches Unglück, ja es gab eine Schreckensnacht, die ein mancher nicht so leicht vergessen wird und die lieben Eltern wohl in ihrem ganzen Leben nicht. Das große Unglück geschah Geschw. Joh. Reimers großen Sohn Johann, 17 Jahre alt. Dieser hatte beim Mittage gesehen, daß sein gewesener Schullehrer an der Straße sehr große Pappeln absägte, so überkommt ihn ein Mitleiden für denselben, und er geht auch noch auf seines Vaters Zuraten hin und zieht mit einem Kirgisenjungen zusammen an den Strick, welches oben an der Pappel befestigt worden war. Befiehlt dem Jungen noch, wohin er laufen soll, wenn der Baum fallen wird. Aber du denn? Fragt der Junge. Ich werde schon wissen, und damit fällt der Baum, und schlägt den Br. Johann zu Boden. Alle glaubten, daß er tot sei, aber er kam noch wieder zu sich und lebte noch bis halb zwei Uhr nachts, aber er wollte nichts als schlafen. Auf des Artztes Befehl haben sie ihn noch sehr gequält, denn derselbe sagte, wenn der große Schlaf zu überwinden sei, dann sei er gerettet, aber es war ganz unmöglich. Er schlief zuletzt beim Herumführen, daß er recht schnarchte, und wenn sie ihm das kalte Wasser gerade ins Gesicht gegossen, alles half nichts, er schlief bis er tot war. Er war bekehrt und im vergangenen Herbst im Fluß getauft worden. Die Teilnahme ist Geschw. Reimers sehr tröstlich, aber recht zu trösten weiß nur der Herr. Noch einen herzlichen Gruß allen lieben Gotteskindern, Freunden und Bekannten mit Psalm 40.
Jakob und Helene Kröker.
Bemerkungen von Elena Klassen – die Geschichte von Joh. Reimer (die Familie gehört auch zu meinem Stammbaum) habe ich etliche male gehört. Nur keiner, konnte mir so ausführlich und so genau erzählen, wie die Zeitzeugen selber. Der Verwandschaftsgrad wurde verwechselt, das Alter wusste man auch nicht so genau. Jetzt weiss ich, wie es wirklich war. Es lohnt sich wirklich, sich die Zeit nehmen um die Zeitungen durchstöbern. |