|   Kopie der Zeitung "Zions-Bote" Nr. 18, vom 30. April 1902, S. 5. (gotisch) von Elena Klassen.     Asien, Gnadenfeld, Ansiedlung bei Aulieata,  den 3. März.Werter „Zion – Bote!“ Du bist ein sicherer  Bote und gehst in ein manches Haus.. Auch in Amerika sind so manche Bekannte  Freunde, und meiner Frau zwei Brüder Wilhelm und Peter Giesbrecht; so denke  ich, wird es manchen interessieren, wenn er etwas von Asien hört, besonders  denjenigen, die von Asien nach Amerika gezogen sind, möchte ich einem jeden,  der sich meiner erinnert, einen herzlichen Gruß abgeben. Der Rückblick auf das  vergangene Jahr wird wohl manchem im Eingedenk bleiben, denn da wir hofften  eine gute Ernte zu haben, regnete es zwei Monate in der Ernte so, daß viel  Getreide verkam und auf dem Felde blieb. Da wir hier in 20 Jahren noch sozusagen  keine Mißernte kannten, bewies uns der liebe Herr, daß er geben, aber wohl auch  nehmen konnte; Er hat dennoch nicht gehandelt nach Verdienst, wofür wir ihm den  innigsten Dank schuldig sind.
 Die Getreidepreise sind verschieden:  trockener Weizen 5 – 7 Rbl. per Bot. Trockener Hafer 4 – 5 Rbl. per Bot. Mehl 1 Rbl. per Pud. Kartoffeln 20 Kop.  Der Winter war sehr gelinde; haben wenig Schnee gehabt; jetzt ist der Frühling  eingetreten und wir haben angefangen zu ackern. Es war aber sehr trocken, aber  der liebe Herr hat auch dazu Rat, er feuchtet der Erdboden mit Regen; möchte er  auch fernerhin seinen Segen dazu geben. Auch hält der Herr hier immer noch eine  Ernte durch den Tod. Uns wurde im Jahre 1901 den 24. Febr. ein Sohn geboren,  worüber wir uns freuten, doch hieß es in diesem Jahr: „Lasset die Kindlein zu  mir kommen“; er wurde den 20. Januar krank und wir ahnten wohl gleich, daß er  sterben würde, aber wir wollten uns noch nicht gleich in die Wege des Herrn  schicken, versuchten menschliche Hilfe, doch vergebens. Am 30. Jan. sahen wir,  daß er weder sterben noch leben könnte, und es wurde mir groß, was die Sünde  zuwege gebracht hat. Wir beteten miteinander, aber es war, als wäre keine  Erhörung mehr bei Gott. Da faßte ich den Entschluß, einmal bis Br. Jacob Janzen  zu reiten und es ihm mitzuteilen, was ich auch that, und sie kamen gegen Abend  hin. Versuchen nochmals menschliche Hilfe, aber erfolglos. Dann fragte Br.  Janzen uns, ob wir glauben würden, wenn er über das Kind beten würde. Wir  sagten ja und knieeten an der Wiege hin und er legte die Hände auf das Kind und  betete so ernst, daß Gott erhörte. Es wurde bald anders und der Kleine lag  ruhiger; um 5 Uhr morgens hauchte er seine Seele aus. Es war ein Scheiden, und  Scheiden thut weh. Das Leichenbegängnis hielten wir am 3. Februar, Sonntag  nachmittag. Die Geschwister kamen reichlich und trösteten uns. Br. Jak. Janzen  hielt die Leichenrede über 1 Kor. 15, 12 – 26. Er tröstete uns sehr und wies  uns darauf hin, daß wir nicht zweifeln brauchten, ob auch Kinder selig werden.  Der liebe Heiland möchte geben, daß wir alle an den Ort kommen möchten und uns  dermaleinst wiedersehen. Der Herr hat mit uns geteilt: 2 hat er zu sich  genommen und 2 haben wir noch.
 Noch zu bemerken, daß Dav. Martens Orloff,  durch einen schnellen Tod in die Ewigkeit gerufen wurde. Er kam des Morgens  froh aus dem Stall herein, um sich die Hände zu waschen; sie setzen ihm Wasser  vor und wie er die Hände hineinthut, fällt er um und ist tot  „Machet und betet, denn ihr wisset nicht:  weder Zeit noch Stunde, wann der Herr kommt.“ Der Herr gebe, daß wir alle  geretet und selig werden.
 Eure geringe Geschwister
 Peter und Maria Wall.
 |