Kopie der Zeitung "Zions-Bote" Nr. 9, vom 26. Februar 1902, S. 5. (gotisch) von Elena Klassen.
Asien, Nikolaipol, 29. Dez. 1901.
Am 15. Dez. ½ 4 Uhr morgens starb plötlich ganz unvorbereitet David Martens, nahe an 60 Jahren, er war ledig bei seinem Bruder F. Martens in Orrloff. Beerdigung war am 19. Dez. Eine Stimme Gottes und ein Merkmal unserer Nichtigkeit. O daß doch jedermann an sein Lebensende denken möchte. Genannter D. Martens stand in keiner geistlichen Gemeinschaft; wurde geachtet von seiner Umgebung. Er kam im Jahre 1890 von der Wolga hierher, früher in Preußen gewohnt. Es herrschen verschiedene Krankheiten. Das Wetter ist sehr gelind, bis 10 Gr. über Null R. Weizen und Hafer sind hier jetzt ziemlich in gleichem Preis. Weiter nordöstlich ist der Hafer um 1/3 teurer als der Weizen. Mancher drischt noch Getreide, da wir so viel Versäumnis wegen Niederschlägen hatten. Des billigen Getreides wegen ist das Geld knapp. Jac. Reimer Sr. Ist ganz erblindet und sehr schwächlich, die Tante aber noch ziemlich rüstig. Jacob Buller und Elisabeth Eck feierten Anfangs Dez. Hochzeit. Bei H. Janzen Nikolaipol kehrte ein kleiner Sohn ein.
Andrejewka, 29. Dez. 1901.
Werter Bote in Zion!
Da du auch in meinem Hause schon so manches Jahr gelesen wirst, und so manche Nachrichten über den Bau des Reiches Gottes bringst, und besonders was uns nützlich auf dem Heilswege ist und fördert im Glaubensleben, so will ich auch etwas von hier aus Mittelasien suchen mitzuteilen. Da wir hier so sehr abgeschlossen sind von den Gläubigen, so hatten wir doch die Gnade, daß wir in verflossen. Oktober Monat Besuch hatten, nämlich Br. David Schellenberg, Rückenau, Johann Hiebert, Münsterberg und Abr. Klassen von Steinfeld. Die beiden Brüder sind thätig gewesen für den Herrn und haben reichlich den Samen des Wortes Gottes ausgestreut. Sie kamen den 29. Sept. an, und blieben bis den 17 Oktober. Es war in der Zeit ziemlich schlechte Witterung, fast täglich Regen und Schnee und schlechter Weg. Den ersten Sonntag hatten die Brüder vormittag in unserm Versammlungshaus das Wort zu teilen, und da die andere Gemeinde gerade den Sonntag das Erntefest feierte, so wurden die Brüder nachmittag dahin geladen, um vor den Versammelten das Wort von Jesu unserer Seligkeit zu reden. Den 6. Oktober hatten wir in userm Versammlungshaus Erntefest. Br. und Ältester H. Kröker leitete die Gebetsstunde ein, wozu er den 100 Psalm las, und machte einige Bemerkungen, wie wir durch das Wort aufgefordert werden zum Loben und Danken, und dann wurde gebetet. Der Sängerchor that auch inzwischen sein Bestes. Dann folgte Br. und Ältester David Schellenberg mit dem Wort Joh. 12, 1 – 8, und betonte besonders, wie alle Gläubigen Freunde Jesu wären. Hermann Epp folgte mit dem Wort Phil. 4, 4 – 8. Dann wurde Pause gemacht. Doch der Chor trug noch etliche Lieder vor bis die Mittagstafel gedeckt war, und dann speisten wir gemeinschaftlich von dem Segen, den der Herr uns beschert hatte.
Nachmittag sprach Br. Jakob Janzen über Offb. 3, 1 – 6. Betonten besonders die Worte: „denn sie sind es wert.“ Dann folgte Schreiber dieses mit 5 Mose 16, 9 – 11, auf welche Weise der Herr befohlen, das Erntefest zu feiern.
Des Abends sprach Johann Wall, unser Schullehrer und zuletzt Johann Hiebert, unser Gast und wir machten Schluß und gingen gesegnet zur Nachtruhe.
Den folgenden Sonntag konnten Br. Schellenberg und Joh. Hiebert wieder vor einer großen Versammlung vormittag das Wort des Evangeliums verkündigen. Nachmittag unterhielten wir das Abendmahl, wobei die Brüder Kröker und Schellenber uns dienten. Des Abends sprachen die Beide Brüder wieder über ein Wort Gottes in unserm Versammlungshaus.
Den letzten Sonntag da die Brüder in unserer Mitte weilten, hatten wir Tauffest; es wurde eine Frau in den Tod Christi begraben und in die Gemeinde aufgenommen. Zwischen den Sonntagen war noch Abendstunden, auch am Tage Versammlungen, es wurden besonders noch Hausbesuche gemacht. Es war gesegnete Tage.
Der Herr hat die Gäste längst glücklich zu den Ihrigen gebracht. Eine Strecke Weges von 4000 Werst ist immer keine Kleinigkeit. Ich habe mich mit meinem Bericht verspätet, wollte eigentlich schon gar nicht; aber es trieb mich dazu, weil wir ein besonderes Jahr verlebt haben mit Ereignissen. Der vorige Winter war ziemlich trocken mit wenig Schnee, doch immer mäßiger Frost. Den 24. Januar Uhr 8 morgens bemerkten wir Erdbeben, doch nur schwach. Das Frühjahr war auch nicht naß, aber endlich gab es Regen, so daß viel Aussaat bestellt werden konnte. Den 2. Mai kam ein sehr großer Regen, und es gab so viel Wasser, und da wir nicht weit von den Bergen wohnen, so kamen große Ströme aus den Bergen, die führten große Maßen Steine mit; solches ist dreimal bei unserer Ansiedlung vorgekommen zwar nicht auf einer Stelle. Jedes mal wo es traf, kam ziemlich Hagel. Wir hatten in unserem Dorf alles zerschlagenes Obst und vieles war abgeschlagen. Getreide war ausgespült auf Stellen und andertwärts unterspült mit Erde, was alles in den 20 Jahren unseres Hierseins nicht ist vorgekommen. Und doch gab der Herr eine gesegnete Ernte, die uns freudig stimmte, vielleicht nicht dankbar genug. Der Herr machte unsere Hoffnung, die wir hatten, anders. Als wir so ziemlich mit Einfahren und Dreschen begonnen hatten, fing es an zu regnen, daß es schien, alles würde verderben. Es ist auch viel Getreide auf dem Felde geblieben und verfault, aber auch in den Häusern ist viel umgekommen, und zuerst noch an den Böden und in den Speichern, weit viel Getreide naß war, so verdarb es, ehe die Leute daran dachten. Und jetzt von anfangs Oktober Monat ist es fast immer trocken gewesen, fast kein Frost und ganz wenig Schnee, so daß das Schlittenfahren wenig geht. Das ist so etwas von Mittelasien.
Möchte noch bemerken, daß unsre Geschwister Gerhard Dücken aus dem Kanadischen nichts mehr von sich hören lassen; was ist die Ursache?
Nebst Gruß mit Ebr. 12, 1 – 3.
Von Euren Mitpilgern nach dem himmlischen Jerualem
Jakob und Sara Mandtler. |