Bericht von Cornelius und Anna Wall aus Nikolaipol, Turkestan in „Zions-Bote“, Nr. 22, vom 29. Mai 1901, S. 4

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Zions-Bote" Nr. 22, vom 29. Mai 1901, S. 4. (gotisch) von Elena Klassen.

 

 

Nikolaipol bei Aulieata in Asien, den 18. März.
Werter Editor!
Vor ungefähr acht Monaten kehrten meine Frau und ich von einer Besuchsreise zurück. Unsere Freunde und Bekannte sprachen öfter den Wunsch aus, sie möchten auch nach Abschluß der Reise etwas von uns erfahren. Am 1 Mai vorigen Jahres reisten wir ab. Zuerst 350 Werst per Achse, dann 1841 Werst per Bahn bis zum Kaspischen Meere. Die Überfahrt bei gutem Wetter dauert 18 Stunden. Wir hatten tüchtigen Sturm und erreichten eerst nach 26 stündiger Fahrt den Hafen von Baku. Von dieser Stadt bis zur Stadt Batum (Batumi, Georgien – E.K.) am Schwarzen Meer sind über 900 Werst. Nach dreitägiger ruhiger Meerfahrt erreichten wir Sewastopol an der Südseite der Krim und nachdem wir nochmals 7 Stunden per Bahn gefahren, kamen wir zu unsern Verwandten in der Nähe der Stadt Simferopol. Im Dorfe Spat verweilten wir fünf Tage bei lieben Verwandten und Freunden. Hatten von Hause bis hier 16 Tage gereist. Am 22 Mai fuhren wir bis zur Station Fedrowka und mit einem Fuhrwerke bis Ohrloff. Am 24. fand die Taubstummenprüfung in Halbstadt statt. Mit Interesse wohnten wir derselben bei. Da lernt man recht für das Gehör dankbar zu sein, was diesen lieben Kindern fehlt. An 3 Wochen benutzten wir die Liebe und Gastfreundschaft der Geschw. und Freunde in den verschiedenen Dörfern der Molotschnaer Kolonien. Am 12 Juni setzten wir die Reise weiter fort und erreichten am 26. unsere Verwandten in der Busulukschen Ansiedlung im Samarischen Gouv. Hier dauerte unser Aufenthalt nur eine Woche. Fuhren per Achse bis ins Orenburgische Gouv. und nach dreitägigem Verweilen zurück bis zur Stadt Samara. Auf der Wolga schifften wir bis Saratow; und zur deutschen Ansiedlung an der Wolga kamen wir nach vierstündiger Postfahrt. Hier war ich nun an meinem Geburtsorte. Meine liebe Frau ist in Fürstenwerder, Taurich Gouv. geboren. Neunzehn Tage waren wir die Gäste der Verwandten in der Wolgaansiedlung und traten dann unsre Rückreise an. Am 5. Aug. konnten wir die lieben Unsern alle gesund begrüßen. Wir haben in den etwas über 3 Monate mehr als 1000 Werst per Bahn und 1000 per Achse gereist. Wir danken allen diejenigen herzlich, die uns ihre Liebe bewiesen. Mit freundlichen Grüßen Eure Euch liebenden

Corn. Und Anna Wall.
   
Zuletzt geändert am 5 Juli, 2018