Kopie der Zeitung "Zionsbote" vom 17 Dezember 1890, S. 2-3. (gotisch) von Elena Klassen.
Darüber siehe auch "Brief von Martin Janzen aus Nikolaipol, Aulieata in der „Mennonitische Rundschau“, Nr. 52, vom 24. Dezember 1890. Abgeschrieben von Elena Klassen."
Asien.
Gnadenthal, 15 Okt. 1890.
„Ich will euch nicht Waisen lassen,“ so lautet das Wort des Heilandes Joh. 14, 18. Dieser Ausdruck hat sich auch hier auf unserer Ansiedlung wieder als Wahrheit bestätigt, denn nach einer langen dürren Zeit, gewährte der Hetrr uns die Freude, daß wir den 7. Oktober ein Tauffest feiertn durften, allwo drei Seelen, die da Frieden um Blute Jesu gefunden, getauft und der Gemeinde hinzugethan wurden. Es war ziemlich trübe am Horizonte und kühl, aber aus mancher Antlitz strahlteFreude und Sonnenschein, besonders aus deren Antlitz, denen das Fest galt. Manches Dankgebet stieg zum Hern empor, und manche Thränen feuchteten die Wangen bei der Aufnahme dieser jungen Geschwister. Nachdem wurde noch ein Liebesmahl gehalten, und da auch wieder die Stunde des Scheidens kam, wurde zum Schluß geeilt, und ging gestärkt an Seele und Leib ein jeder in das Seine.
Den 13. d. mts. Durften wir Erntefest feiern, und zwar im neuerbauten Versammlungshause, welches noch die Festesfreude erhöhte, indem Jeder, der gekommen, bequem seinem Platz einnehmen durfte, und noch war raum übrig. Es ist zwar noch nicht fertig, aber doch so weit, daß es benutzt kann werden. Ausstocketurt, angekalkt ist es, außer einm Stübchen, aber der Fußboden, die innere Thüre, Sitze und anders mehr fehlt noch. Zwei eiserne Oefen sind darin. Es waren außer der Gemeinde noch ziemlich Gäste zum Fest gekommen, so daß die Zahl im Ganzen, Groß und Klein, sich auf etwa 350 Seelen belief. Die Eilleitung zum Fest machte Br. Jakob Janzen, indem er ein Lied vorsprach, welches gesungen wurde. Nach dem er gebetet, sang der Chor einige Lieder, wovon Br. Jakob Janzen der Führer war. Hierauf hielt Br. Heinr. Kröker, nachdem noch ein Lied gesungen und gebetet, eine Ansprache, allwo er zum Anfang hervorhob, wie Israel im alten Bunde Opfer gebracht, und was wir dem Herrn für Opfer bringen werden, zumal wir ein doppeltes Fest feiern, nämlich Erntefest und die Einweihung des neugebauten Hauses. Sprach seine Freude und den Dank aus, daß der Herr die Herzen willig gemacht zur Arbeit und Beisteuer an dem Hause, daß jetzt keine Seele mehr klagen darf über den kleinen Raum. Er nahm zum Text Lucas 19, 1 – 10, daß auch wir so begierig sein möchten, Jesum zu sehen wie Zachäus u.s.w. Hierauf wurde vom Chor ein Lied gesungen und Br. Kröker hielt noch ein ernstes durchdringendes Gebet, daß der Herr und an dem Ort segnen möchte und daß sich Freude, Liebe und Gerechtigkeit begegnen. Nach diesem trat Br. Jacob Mandtler auf, sprach ein Lied vor, betete und hielt eine Ansprache über Ps. 84, daß es wirklich schön und lieblich sei, eine geräumige Wohnung zu haben, alwo die Kinder Gottes zusammen kommen, dürfen dem Herrn zu dienen. Hob seine Dankbarkeit hervor und bemerkte, daß Gott aber nicht im Tempel wohnen will mit Händen gemacht, sondern der Mensch selbst soll ein Tempel des lebendigen Gottes sein, daß der Ort dieses Hauses dazu dienen möchte und soll, das reine Wort Gottes zu predigen, zu strafen, zu drohen, zu ermahnen und zu trösten, nach Gottes Wort und Wille, und wie der Herr seine Güte, in Betreff der lieblichen Unterhaltungen auch so reichlich bewiesen. Hierauf wurde das Lied „Schwerte und Kelle“ vom Chor gesungen, welches die Herzen bewegte und manches Auge mit Thränen füllte. Darauf Pause. Während die Tafel zum Speisen zubereitet wurde, wurden noch einige Lieder aus verschiedenen Quellen vom Chor gesungen. Es war recht erquickend. Der „Sängerfreund“ hat uns schon manchen Segen gebracht. Gottt segne das Werk immer mehr zum Preise des Herrn! Zwei Stunden vergingen bis alles gespeist war.
Hierauf trat Br. Joh. Regehr auf; nachdem ein Lied gesungen und er gebetet, hielt er eine Ansprache über Römer 11, 33, und 1 Könige 5, in Betreff des neuerbauten Hauses, wie es doch so ganz anders sei, als zu der Zeir, da Israel baute, „in der einen Hand die Kelle in der andern Hand das Schwert.“ Nehemia 4, 17, daß auch wir es in aller Ruhe haben bauen können wie Saloma und ermahnte fröhlich zu sein auf dem Fest, wie auch Esra dem Volke gebot, und sollten dem Herrn mit Ernst dienen und nachjagen dem Frieden und der Heiligung ohne welche wird niemand den Herrn schauen, und wir einander dienen sollen in der Liebe. Hierauf hielt Br. Peter Wiebe eine Ansprache, nachdem ein Lied vom Chor und eines von der Versammlung gesungen, und er gebetet, über Off. Joh. 3,20, woraus er ernst ermahnte, Jesum zu suchen und aufzunehmen und Ihm für alle Wohltat recht dankbar zu sein, und sich so zubereiten lassen, als die Steine am Tempel zu Jerusalem, welche keines Hammerschlags, beim Aufbau bedurften, sonst taugen wir nichr fürs Reich Gottes. Auch wie wir uns in Gott freuen sollen und nicht ängstlich sorgen sollen, denn mit unsern Sorgen richten wir nichts aus. Hierauf wurde wieder Pause gemacht und noch einmal Mahlzeit gehalten. Während der Pause wurden noch mehrere Lieder vom Chor gesungen, und einige brachten dem Herrn Dank und Anbetung. Darauf wurde wieder vom Chor einige Lieder gesungen, einige Sprüche hergesagt und einiges darüber von Br. Jacob Janzen gesprochen. Nachdem vom Chor noch einige Lieder gesungen und alles gespeist hatte, hielt Br. Peter Dahlke eine kleine Ansprache über Psalm 84 und munterte besonders auf zur Dankbarkeit, sprach auch einiges über die eingeschliechene Trägheit, welche auch er reichlich fühle. Hierauf wurde von Br. Aron Janzenein Lied vorgesprochen, gebetet und einiges über des Menschen Verkehrtheit gesprochen, daß der Mensch immer geneigt ist, sich mit seinen Mängeln und Gebrechen zu besehen und eilt nicht mit demselben nach der lebendigen Quelle, und daß er nicht wert sei aller Barmherzigkeit und Treue, die der Herr an ihn erwiesen. Nachdem einige Dankgebete zum Herrn empor gestiegen, hielt Br. Isaak Penner noch eine kurze Ansprache, nachdem ein Lied gesungen und er gebetet, über das Lied: „Nach Zions Hügeln ziehts mich hin“ und er mahnte fröhlich und dankbar zu sein auf dem Fest. Hierauf wurde noch ein Lied gesungen und Schluß gemacht mit einem herzlichen Gebet, und so schieden wir gestärkt an Seel und Leib ½ 10 Uhr froh von einander.
Sonntag d. 14. wurde noch das heilige Abendmahl unterhalten, wobei der Herr uns auch einen reichen Segen zufließen ließ. Br. J.Janzen sprach zuerst seine Dankbarkeit aus gegen die Geschwister, sowohl gegen die Schwestern als Brüder für den Fleiß, den sie angewendet, das Haus zu bauen, äußerte auch die innigste Dankbarkeit für die zugeflossene milden Gaben zum Bau des Hauses und hob noch die Worte hervor: „Siehe eine Hütte Gottes bei den Menschen.“ Off.Joh.21, 3. Hierauf hob er hervor, daß das alte Sprichwort sich noch immer bewähre: „Keine Freude ohne Schmerz,“ daß er selbiges den vorigen Tag ernstlich gefühlt habe, zumal zwei Seelen auf Krücken hereingekommen. Einer beim Stuhl, der Eine herein getragen, und der Blinde war auch da, und von diesen gehörten auch noch zu seinen Familien (ein Sohn und ein leiblicher Bruder). Ziemlich lange währte es, bis er diese Worte und anderes in Betreff dieses irdischen Elends über seine Lippen brachte, denn innerer Schmerz erstickte oft seine Worte, und Thränen floßen über seine Wangen. Die ganze Versammlung wurde so kräftig gerührt, daß die meisten Angesichter mit Thränen benetzt waren. Recht viele Gebete stiegen zum Herrn empor und so wurde noch gesprochen über Ev. Joh. 7, 37, und zuletzt noch das Lied „Die ihr die stillen Harfen an Babels Weiden hänget,“ gesungen. Hierauf sprach BR. Heinrich Kröker, noch einiges über das Leiden Jesu, und so gings denn zur Unterhaltung des hl. Abendmahls. Nach dem Abendmahl wurden noch die Geschwister durch ein Liebesmahl gespeist. Bevor wir noch schieden, trat Br. Joh. Klassen (fr. Steinfeld Molotschna) noch auf, sich der Gemeinde der Fürbitte empfehlend indem er Montag, d. 15. d. Mts. Nach der Molotschna abreisen wolle, seine Geschwister und Eltern zu besuchen; (ist auch gefahren). Hierauf wurde von Br. Heinrich Kröker der Segen über die Gemeinde gesprochen, und Br. Klassen nahm von Jedem Abschied, welches auch recht rührend war, zumal mehrere der Geschwister Verwandte in der alten Heimat haben und Grüße bestellten. So schieden wir den reichlich gesegnet auseinander.
Ich bin recht sehr ungesund und mußte schon alle meine Kräfte zusammen nehmen, diese geringe Zeilen zu schreiben. Zum Gruß an alle Geschwister im Herrn Ps. 23. Gruß an alle, die sich meiner erinnern, sowie an alle Freunde.
Haltet im betenden Andenken Euern Mitpilger nach Zion
Cornelius Dück.
Noch ein Wort an Br. Harms.
Lieber Bruder!
Weil ich heute noch wieder die Liebe und Barmherzigkeit Gottes u. der Menschen erfahren indem, daß ich andiesem Dato die 39 Rbl (24 Doll und 50 Cent) welche mir von Nebraska und Kansas von mildthätigen Herzen u. Händen zugeflossen, erhalten, und ich für den überschwänglichen Segen mich auch überaus dankbar fühle, so bitte ich dich lieber Br. diese Zeilen dem „Zionsbote“ zu übergeben, um den Wohlthätern dadurch meinen geringen Dank abzustatten. Gott unser Heiland vergelte es einem Jeglichen nach seiner Verheißung, und ich danke recht herzlich für die an mir erwiesene Wohltat. Ich bekam die Zuschrift von diesem Geld grade auf dem Erntefest und ich fühlte mich in doppelten Sinn dankbar, zumal ich wiederum erfahren durfte, daß der Herr auch mich eben so gut zu erhalten weiß, als die Gesunden. Es sind bereits über 11 Jahr, daß ich schon nicht habe gehen können, und ich muß sagen, der Herr hat mich wunderbar erhalten, und sowohl an Leib als Seele seine Güte und Gnade reichlich erwiesen, wenn auch eine manche Thräne meinen Pilgerpfad genetzt; weiß aber auch, daß ich mir eine manche Not selbst gemacht, und dem Herrn? Ach, Er wolle mir alles vergeben. Es sind bald 15 Jahr, daß der Herr mir Vergebung meiner Sünden erfahren ließ. Er wolle mich auch hindurchbringen zum ewigen großen Segen, um seines Namens willen.
Bemerke noch, daß heute noch eine Familie Gerhard Janzen und ein lediger Jüngling Jacob Quiring von Chiwa hierher gekommen sind, um sich für ihr zeitlich Dasein eine neue Heimat zu gründen, und auf`s Frühjahr wollen noch mehrere kommen, wenn sie der Mittel halber können.
Lieber Bruder, du wollest vorlieb nehmen mit meinem schlechten Schreiben, ich habe nicht eine ruhige Hand, und kann gegenwärtig nicht besser der Ungesundheit halber.
Gruß an alle Wohltäter mit Ps. 41, 2 - 4.
Euer innigst dankbarer Bruder und Mitpilger
Cornelius Dück. |