Gesegnete Erfahrungen in der Waisenhaussache
Als ich nach einer schweren Woche in meinem Stübchen saß und darüber nachdachte, wie wunderbar der liebe Gott uns in den verflossenen zwölf Jahren, in denen unser Waisenhaus besteht, geführt und geholfen hat, wurde ich unwillkürlich an den 33. Psalm erinnert. Meine Gedanken gingen 13 Jahre zurück, zu der Zeir, als wir im Begriff waren, ein Waisehaus zu gründen. Damals dachten wir doch nicht im Entferntesten an Großweide. Um ein Waisenhaus zu gründen, suchte ich meine Hilfe bei Menschen, mußte jedoch eine Aussicht nach der anderen zu Grabe tragen. Aber wunderbar hat Gott unsere Arbeit entstehen lassen, weitergeführt und bis heute erhalten. Der Herr lenkt alles nach Seinem Wohlgefallen, und wir danken Ihm dafür, daß Er so geführt hat.
Besonders denke ich an die Zeit, als ich bei dem Herrn Oberschulzen Nickel, Münsterberg, war und ihm die Sache vorstellte. Auf meine Frage, ob die Gebietsversammlung uns wohl die große Schäferei zur Gründung eines Waisenhauses überlassen werde, antwortete er: „Wenn sie es nicht täten, dann wäre es so, als wenn wir Kindern, die aus einem finsreren Keller rufen: „Helfts uns hinaus!“ antworten würden. Nein, das tun wir nicht!“ Wie tief es nur das Herz sch..in..und was für Kämpfe es mich kostete, als die Gebietsversammlung mein Gesuch doch ablehnte, das muß ...allein.
Die...sollten, nach dem Ausdruck des Herrn Obers..., „im Keller bleiben“ und meine ersten Gedanken waren: Wenn so, dann lieber nach Sibirien ziehen und nicht mehr an die Gründung eines Waisehauses denken. Doch Gottes Gedanken waren anders. Indem ich noch beim Aeltesten der Gemeinde und auf verschiedenen anderen Stellen Verständnis für unsere Sache suchte; zeigte der liebe Herr uns immer mehr den Weg zu Ihm, daß Er es sei, von dem wir allein Hilfe zu erwarten hätten.
Als ich im Sommer 1906 von etlichen Brüdern zu der Beratung über die Gründung eines Waisenhauses nach Halbstadt eingeladen wurde, waren ich und meine liebe Frau uns schon darüber klar, daß der Herr keinen Verein haben wollte, sondern daß die Sache zu einer Glaubensarbeit gemacht werden sollte. Als ich der Versammlung meine Gedanken und Erfahrungen mitteilte und sagte, Gott habe uns gezeigt, die Arbeit zu einer Glaubensarbeit zu machen, stimmte man diesem voll uns ganz bei. Im Geiste danke ich noch heute den Brüdern und der ganzen Versammlung für die Ratschläge und die Teilnahme. Es tat so wohl, nach vielen harten Kämpfen zu erfahren, daß doch Sinnfür die Sache da sei. Und der Herr hat uns, wie bei der Gründung des Waisenhauses, so auch weiter bis heute geholfen, ja oft wunderbar geholfen. Im Verlauf dieser Jahre durften wir 84 Kinder in unsere Anstalt aufnehmen, von denen 2 gestorben und etliche sich ihr Brot selbst verdienen. Wenn die Erziehung der Waisen nicht leicht ist und viel Kniearbeit kostet, so dürfen wir uns doch freuen, daß unsere Arbeit nicht vergeblich gewesen ist. Mehrere von den Kindern haben sich zum Herrn bekehrt und gehen hoffnungsvoll ins Leben hinein.
Der Herr hat nicht nur bei der Erziehung der Kinder geholfen, sondern uns auch alle andern Sorgen abgenommen und unsern Glauben nicht zu Schanden werden lassen.
Eine große Hilfe für unsere Anstalt und eine Freude für die Jungen ist die kleine Landwirtschaft in Kuruschan. Zum Sommer wollen die Jungen am liebsten alle hin, um in der Wirtschaft zu helfen. Nach der Ernte jedoch möchte sie auch wieder gerne zurück nach Großweide, um mehr frei sein zu können und auf dem großen Hof zu spielen. Diesen Sommer hatten wir 20 Jungen in Kuruschan, mit denen wir die Erntearbeiten verrichteten. Es hat auch sehr gut gegangen, außer der Aufenthalt im Dreschen des Naphta wegen. Gegenwärtig sind die Schulkinder wieder zu Hause und der Unterricht hat begonnen.
Wir glauben und hoffen, daß der treue Vater im Himmel uns auch alles wieder zum Winter geben wird, was wir brauchen, denn Er ist noch immer der nämliche, der uns in den verflossenen Jahren geholfen hat. „Was Er zusagt, das hält Er gewiss!“ Ps. 33. 4
Ab. Harder. |