Reisebericht des Predigers C. F. Kliewer, Russ. Polen (später als Lehrer in Ak – Metschet), in der „Friedensstimme“ Nr. 41, vom 11. Oktober 1908, S. 4-5

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Siehe auch Bericht von C. F. Kliewer, über seine Ankunft in Ak-metschet, Chiwa, Asien aus der „Friedensstimme“ Nr. 51 vom 21. Dezember 1908, S. 4. Abgeschrieben von Elena Klassen.

 

Reisebericht.
Von C.F.Kliewer, Russ. Polen.
Ehe ich auf den eigentlichen Bericht meiner Reise komme, möchte ich noch einiges andere voraussenden.
Am 1. September 1906 war es mir vergönnt, durch Gottes Gnade und wunderbare Führung in die Allianz – Bibelschule in Berlin (Forum Wiedenest – Wikipedia  EK), einzutreten.
Am Tage vorher, selbigen Jahres, verließ ich meine Heimat, um dort, wie ich dachte, an einem zehnmonatlichen Kursus teilzunehmen. Verschiedene Gründe bewogen mich dieses zu tun. Es ist hier vielleicht nicht am Platze alles anzuführen warum, aber das möchte ich erwähnen, daß es mir darum zu tun war, mich im Worte Gottes zu vertiefen, selbiges besser verstehen zu lernen und auch um meiner Aufgabe gerecht zu werden. Um diesen meinen Wunsch auszuführen, stellte die Konferenz der M.-Brüdergemeinde, auf meine persönliche Bitte, im selbigen Jahre, mir auch eine kleine Summe Geld zur Verfügung, so daß ich mit der Mithilfe meiner lieben Eltern und vieler andern Kinder Gottes, denen das Werk des Herrn am Herzen liegt und die die Bibelschule mit Gebet und Gaben unterstützen, dort eine geraume Zeit, mich ausschließlich mit dem Studium der Heiligen Schrift beschäftigen durfte. Allen denjenigen, die dies von Gott ins Dasein gerufene Werk unterstützen, möchte ich auch hier auf diesem Wege, ein herzliches „Dankeschön“ sagen. Der Herr wird es Euch vergelten, was Ihr getan habt und noch tut. Es würde vielleicht gut sein, wenn ein Bruder, der näher mit der Allianz – Bibelschule bekannt ist, gelegentlich mal auch in der „Friedensstimme“ einiges von derselben berichten möchte, ich meine wie z.B. ihr Entstehen, Zweck, Anfang, Fortgang usw.
Wie ich schon erwähnte, ich gedachte nur 10 Monate dort zu bleiben, aber der Mensch denkt und Gott lenkt. Wir machen uns mitunter Pläne für die Zukunft, aber wenn die Zeit erst kommt, so hat Gott einen anderen Plan, welchen er für uns bestimmt für besser findet und auch durchführt. So führte es der Herr und machte es auch möglich statt 10, 23 Monate in Deutschland zu verweilen. Es war eine köstliche, unvergessliche Zeit in meinem Leben. Mit sehr dankbarem Herzen gegen Gott und Menschen, schaue ich auf die vergangenen tage, Woche und Monate zurück. Manches habe ich kennen lernen dürfen, ebenso wie auch viele teure Kinder Gottes. Sehr viel unverdiente Liebe ist mir entgegen gebracht worden. Viele Stunden und Tage des Segens vom Herrn tauchen in meinem Gedächtnis immer wieder auf, liebliche Erinnerungen an dies und jenes. Jedoch würde es zu weit führen, auf die einzelnen Erfahrungen näher einzugehen.
Die zwei Monate Ferien im vergangenen Jahre, war ich bei Geschwistern auf dem Lande in Westfalen und durfte dann auch die Konferenz in Blankenburg besuchen, unterwegs auch die bekannte Wartburg bei Eisenach. Für die, welche es vielleicht nicht wissen, möchte ich hinzufügen, daß dort Dr. M. Luther seiner Zeit die Bibel übersetzt hat. Das kleine, einfache Stübchen, mit Tisch und Bettstelle, wie man sagt, noch aus jener Zeit, wird noch immer zum Andenken und Besehen erhalten. Verschiedene andere Sehenswürdigkeiten hatte ich Gelegenheit kennen zu lernen, besonders in Berlin. Überhaupt ist man in Deutschland sehr patriotosch und stellt sehr viele Denkmäler auf. Manche Anstalten und wie auch Wohltätigkeitshäuser durfte ich sehen. Unter anderm auch die weltbekannten Bodelschwingschen Anstalten in Bielefeld: Krankenhäuser für epileptische und verschiedene andere Krankheiten.
Da die überaus schöne Zeit meines Aufenthaltes in der Allianz – Bibelschule abgelaufen war, galt es für mich die Heimreise anzutreten. Ich kann in Wirklichkeit sagen, ich habe mich fast überall, wo ich weilen durfte, sehr heimisch gefühlt, vor allem ist nir die Allianz – Bibelschule sozusagen zu meiner zweiten irdischen Heimat geworden.
Schon lange vorher, eigentlich schon vor zwei Jahren hatte ich Wunsch, auf der Heimreise aus Berlin, die Mennoniten, unsere Stammgenossen, in Westpreußen zu besuchen. Da ja wie bekannt, unsere Vorfahren von dort ausgewandert sind, (mein Großvater war noch dort geboren), so hatte ich folgedessen viel Interesse, jene Gegenden einmal durchzureisen. Besonders war es mir auch darum zu tun, wenn ich Gelegenheit haben würde, die Lieben dort mit dem Evangelium zu begrüßen und ein Zeugnis von Jesu abzulegen. Noch ein Bruder aus Süd – Rußland, ein Schulkollege, plante mit mir zusammen diese Reise zu machen, aber als es zum Fahren kam, gab er es verschiedener Gründe halber auf, so daß ich allein reisen mußte. Gerne wäre ich mit jemand zusammen gefahren, denn die Erfahrung lehrt, daß es mitunter besser ist, wenn zwei zusammen solche Reise machen. Aber da es nicht möglich war, ging es auch sehr gut allein.
Nach einem herzlichen Abschiede aus dem Kreise der Lieben in der Allianz – Bibelschule, bestieg ich Freitag abends, den 26. Juni, den Zug, um zunächst nach Thorn zu fahren und von dort den geplanten Abstecher in West – Preußen zu machen. In Thorn besuchte ich zuerst den dortigen Baptisten – Prediger Faltin und den alten Herrn Voth, gewesener Aeltester der Mennonitengemeinde in Obernessau, der jetzt aber wegen Altersschwäche nicht mehr seinem Amte vorstehen kann, weshalb jene Gemeinde gegenwärtig ohne Aeltesten und Prediger ist. Sie wird aber hin und wieder von den Lehrkräften aus den andern dortigen Gemeinden bedient. Nachdem ich einigermaßen mein Vorhaben kund getan hatte, wurde ich eingeladen zu Sonntag, den 5. Juli in der Kirche in Obernessau das Wort zu verkündigen. Sonntag, den 28. Juni, weilte ich bei den baptistischen Geschwistern in Elisenhof und Dubilno, woselbst mir auch vor- wie auch nachmittag in der kleinen Versammlung Gelegenheit gegeben wurde, etwas zu Ehre meines Herrn zu sagen.
Die Lieben dort sind vor einigen Jahren hier aus Russ.Polen ausgewandert und haben da auf neuen Ansiedlungen Land angenommen. Wie mir gesagt wurde, seien ihre Vorfahren auch Mennoniten gewesen, was eigentlich auch schon ihre Namen verraten. Montag und Dinstag machte ich dann noch einige Hausbesuche und Mittwoch fuhr ich infolge einer Einladung zu andern Geschwistern in Drückenhof, wo der Herr dann abends wiederum Gnade gab, vor einer ziemlichen Versammlung das Wort zu teilen. Donnertsag besuchte ich noch eine Familie an einem anderem Orte, auch aus Russ. Polen stammend. Freitag, der 3. Juli, war für die Mennoniten in der Graudenzer Niederung an der Weichsel bestimmt. Da meine Zeit nur kurz war, konnte ich dort nur flüchtig einige Hausbesuche machen. Unter andern fand ich freundliche Aufnahme bei Herrn Kopper in Kleinsauskau, Aeltesten der Montauer Gemeinde, da ich bei der dortigen Kirche Gelegenheit hatte, vorbei zu kommen, besah ich mir
dieselbe auch von innen, wozu mir Herr Stobbe, Prediger und Schullehrer daselbst, behilflich war.
Sonnabend vormittag besuchte ich noch eine Familie in Graudenz und nachmittag fuhr ich zurück nach Thorn zu Herrn Voth am Sonntag, wie verabredet, in der Kirche in Obernessau zu sein. Vormittag kamen wir in der Kirche zusammen und nachmittag durfte ich einige Hausbesuche machen, woselbst es auch Gelegenheit gab, ein Zeugnis vom Herrn abzulegen.
In den ersten Tagen der nächsten Woche, besuchte ich noch einige Mennoniten und andere, welche aus Russ. Polen dorthin gezogen, auf neuen Ansiedlungen sehr zerstreut wohnen und am 8. und 9. machte ich einige kurze Hausbesuche in Podwige, Schönsee, Gogolin und Roßgart. In letzterem Dorfe besuchte ich flüchtig Herrn Görz, Aeltesten der Grupper Gemeinde. Von dort fuhr ich über Graudenz nach Rehhof, zu Herrn Pauls, Aeltester der Zwanzigerweider Gemeinde, woselbst ich sehr liebevolle und freundliche Aufnahme fand. Ich blieb dort einen Tag, ruhte ein wenig, besuchte Herrn Ekk, den Diakon, wie auch die schön eingerichtete Kirche. Den 10. Juli fuhr ich nach Marienburg, und übernachtete bei Herrn C.Andres in Sandhof.
Sonnabend, nach einem kurzen Besuch bei Herrn Wiebe, früher Missionar auf Sumatra, fuhr ich bis Grunaum, um Sonntag im sog. kleinen Werder, auf einem Missionsfeste zu sein, welches in der Kirche zu Preußisch – Rosengart stattfand. Gleich auf der Station Grunau, noch Sonnabend, wurde ich mit dem dortigen Prediger Cornelsen und dem Aeltesten Penner aus Plattenhof bekannt. Letzterer kam zu dem Missionsfest und ersterer holte ihn ab. Nach einer sehr liebevollen Aufnahme, Unterhaltung und Nachtruhe bei Herrn Cornelsen in Thiensdorf, ging es Sonntag auf das Missionsfest. Bald war es bekannt, es sei ein durchreisender Bruder da, folgedessen wurde ich von dem dortigen Aeltesten beauftragt, auch ein kurzes Wort zu sagen, was ich denn auch tat. Vor mir sprachen drei Redner und nach mir machte noch einer den Schluß. Es waren wohl über 300 Zuhörer anwesend. Das Missionsfest dauerte nur bis Mittag. Nachmittag waren sämtliche Prediger und Aelteste noch zusammen zur gemeinsamen Unterhaltung. Aehnlich so war es auch auf den andern Missionsfesten, wohin ich von da aus eingeladen wurde.
Am Nachmittage hatte ich dann Gelegenheit, verschiedene liebe Brüder im Herrn kennen zu lernen. In jener Gegend sind hin und her zerstreut entschiedene Kinder Gottes, welche sich auch noch außer den Vormittagsversammlungen in der Kirche, abends (auch an Werktagen) um das Wort des Herrn scharen. Hatte dann auch noch am selbigen Tage abends Gelegenheit in ihrer Mitte über ein Wort Gottes zu reden. Ich durfte dort im Segen einige Tage verleben. Am Tage machte ich in Begleitung eines lieben Bruders aus Lichtfelde, woselbst ich logierte, Hausbesuche, die Zeit auskaufend mit gemeinsamer Wortbetrachtung im engeren Kreise und Abends hatten wir Versammlungen. Nur zu schnell vergingen die Tage unseres Beisammenseins.
Den 15. besuchte ich die beiden Aeltesten der dortigen Gemeinde, Classen in Pr. Rosengart und Kädtler in Alt-Rosengart. Am 16. war ich in Elbing, besuchte Prediger Pauls und am 17. Wiehler, Krafolsdorf, Aeltesten der dortigen Gemeinde.

(Schluß folgt.)
   
Zuletzt geändert am 16 Mai, 2018