Bericht von Heinrich Löwen aus Nukolaipol bei Aulie-Ata, Turkestan, aus „Friedensstimme“ Nr. 7 vom 16. Februar 1908, S. 104

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

 

Erdbeben.
Ist auch ein Unglück, daß der Herr nicht tue?
Amos 3, 6

Am 18 Januar, vormittags kurz nach 10 Uhr, war hier bei gänzlich stillem Wetter ein ziemlich starkes Erdbeben. Anfangs hörte man ein unterirdisches Donnern, als ob mehrere Dreschsteine auf gefrorenem Boden beförferd wurden. Plötzlich spürte man, daß sich die Erde unter den Füßen erst wellenförmig, dann stoßweite, auf – und abwärts bewegte. Allen Symptomen nach, übte das Erdbeben eine physische Wirkung auf den Menschen aus. Den stehenden Personen hatte sich nämlich ein schwindelndes Unwohlsein mitgeteilt, weniher hingegen den sitzenden. Menschenleben hat es, soviel bis heute bekannt ist, dem Herrn sei Dank, keines gekostet. Obzwar kein großes Unglück entstanden ist, so ist dennoch einiges anzuführen. In den Wänden und Mauern Risse, gebrochene Balken, die 80 Fuß hohen Pappeln bewegten sich zeimlich, zuletzt noch zitternd, als vom Schlag; die hängenden Gegenstände in den Häusern bewegten sich noch lange hin und her.
In der Stadt Aulie – Ata ist das Erdbebend beteutend stärker gewesen. Es sind Ecken aus den Häusern gefallen, Oefen eingestürzt, in der Schule ist einem Kinde von einem herunterfallenden Balken eine Hand zerschlagen worden. Auf den Straßen entfalteten sich verschiedene Bilder der Verzweiflung. Die Mohamedaner lagen auf der Erde. Die andern Nationen bewiesen es mit der Tat, was wir Zeph. 1, 17 – 18 beschrieben finden, welches der Mensch bei guten Tagen nicht bedenkt.
Heute, Sonntag, den 20 Januar, war die Versammlung, wohl infolgedessen, recht rege... Ein Bruder leitete die Betstunde ein mit dem Wort Hos. 11, 1 – 9, wo wir auf Gottes brünstiges Erbarmen aufmerksam werden, und laut Zeph. 3, 9 – 15 wurde uns noch die Verheißung gezeigt, daß die, die im Herrn sind, nichts mehr zu fürchten haben, worauf dann mehrere Gebete zum Herrn emporstiegen. Dann hielt Br. Klassen eine geweihte Ansprache. Es möchte sich doch keiner damit trösten: „Das ist ja nur in Turkestan.“ „Man weiß nicht die Stunde.“
Nikolaipol, (Turkestan), 20 Jan. Heinrich Löwe

   
Zuletzt geändert am 20 März, 2018