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Kurzer Bericht über die Gründung, Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der Waisenanstalt in Großweide, gegeben am 13 Juni 1922. A. Harder |
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Im Jahre 1906, als Gott uns die Gründung des Waisenhauses ins Herz gab, wandte ich mich an die Oberschulzen der Bezirke Halbstadt und Gnadenfeld mit der Bitte, uns eine Stelle mit Gebäuden und Weidenland zu diesem Zwecke zu überlassen, was aber von den Bezirksversammlungen abgesagt wurde, weil wenig Verständnis für die Sache war. Darauf wandte ich mich an die Ältesten der Gemeinden, doch auch da fand ich nicht Anklang, so daß wir Gott dringend baten, uns einen Platz zu geben, wo wir die Arbeit anfangen könnten. Und er gab ihn uns. In Juni 1906 war es, als unser Wagen mit unserer Familie auf den Hof der gegenwärtigen Waisenanstalt fuhr. Den Hof mit den Gebäuden, wo viele Jahre ein großer Kaufladen gewesen war, hatte ich ettliche Wochen zurück von den Bevollmächtigten der Erben für 7000 Rbl. gekauft. Im Vertrauen auf Gott, der uns diese Aufgabe gestellt, fingen wir gleich am nächsten Tage mit der Reparatur der Gebäude an, welche 5 Jahre ohne Wirt gestanden hatten. Obzwar wir uns noch nicht klar waren, auf welche Art und Weise wir die Arbeit treiben sollten, da die Bemühungen, mit der mennonitischen Gesellschaft zusammen ein Waisenhaus zu gründen, fehlgeschlagen waren, fingen wir doch die Arbeit mit frischem Mut an. Wir arbeiteten so bis unsere Geldmittel, über die wir verfügten, ausgegangen waren, und Gott uns zeigte, wie er weiter helfen und geben könne. Eines Tages sagte mein liebes Weib zu mir, daß das Mehl alle sei. Ich ging zum Nachbar, der ein Mehlhändler war, und kaufte Mehl und gab dabei mein letztes Geld aus. Als ich nach Hause kam, ging ich in mein Kämmerlein und sagte zu meinem Gott: so: jetzt ist unser Geld alle, und zudem haben wir 4 Maurer und 2 Zimmerleute, willst du die Arbeit von uns getan haben, dann zeige es uns jetzt und gib uns, was wir täglich brauchen. Mit nach oben gerichteten Blicken und dem Seufzer „Gott, wie wirst Du jetzt helfen,“ ging ich an meine Arbeit. Nach einer Stunde kam ein Mann auf den Hof und brachte eine Posteinweisung auf 25 Rbl. Ich ging hinein, rief meine liebe Frau und sagte: „Schau mal, Gott hat geholfen,“ wir setzte uns und weinten Freudentränen, daß der liebe Herr so schnell geholfen. Von der Zeit an sagten wir uns, unsere Arbeit soll eine Glaubensarbeit sein. Wie Gott anfing zu helfen und zu geben, so hat er 16 Jahre immer gegeben, ohne daß wir Menschen um Hilfe angesprochen haben. Als die Einweihung des Waisenhauses im September stattfand, hatten wir schon 2 Waisenkinder aufgenommen. Im ersten Winter 1907/1908 dagegen konnten wir schon unsere eigene Anstaltschule gründen und einen Lehrer anstellen. Zu diesem Zweck wurde eine auf dem Hof befindliche Wagenscheune umgebaut und eine Schulklasse mit Lehrerzimmer und Werkstube eingerichtet. Auch kam auf unsere Gebete eines Tages eine Schwetsre aus Samara um uns zu helfen, so daß wir mit einem Lehrer und einer Schwester die Arbeit tun konnten. Daraufhin hängten wir über die Tür des Speisesaales den Wahlspruch der Anstalt mit großen Buchstaben: „Unsere Hilfe kommt von Jehova, der Himmel und Erde gemacht hat,“ Ps. 121, 2. Da der Raum in der Schule und in den Schlafstuben mit der Zeit nicht ausreichte, entschlossen wir uns eine Schule, ein Ebenezer, zu bauen. Im Vertrauen auf Gott, durften wir mit dem Bau am 1. April 1912 beginnen und den 28. Oktober desselben Jahres Einweihfest feiern. Auf dem Feste konnte ich den Gästen sagen, daß der ganze Bau 12 000 Rbl. gekostet habe und schuldenfrei dastehe. Das Gebäude ist 31 Arschin (russisch 1 Arschin = 0,71 Meter – E.K. ) lang und 14 Arschin breit und auf einem Ende dreistöcking. Im untersten Stock, der halb in der Erde ist, befindet sich der Heizraum zur Zentralheizung, Bade-, Ankleide- und Wohnzimmer. Das andere Stockwerk enthält 2 Klassenzimmer, einen Spielsaal, ein Lehrerzimmer, ein großes Schwesternzimmer, zwei Vorzimmer und Korridor. Im dritten Stock befinden sich 3 Schlafsäle und 3 Schwesternstübchen. Zum Beweis, wie Gott, unser Vater, auf unsere Wünsche und Gebete während des Bauens einging, ein Beispiel: Zweierlei bat ich von meinem Herrn: erstens möchte er den ganzen Bau leiten und zweitens war meine Bitte, Er möge mir zur rechten Stunde die Mittel zum Bau so geben, daß ich nicht in die Lage käme zu borgen. Er war so treu in der Erhörung meines Flehens, daß, als ich eines Tages von einem Bruder aus weiter Ferne einen Brief erhielt mit der Erlaubnis für mich auf seine Rechnung zum Bau der Schule 300 Rbl. zu borgen und ging und versuchte, ob mir jemand das Geld borgen könne, da unsere Kasse leer war; ich niemand fand, der es mir hätte borgen können. Am anderen Tage jedoch kam eine Schwester auf den Hof gefahren uns gab mir, vom Geiste Gottes getrieben, 300 Rbl.; die Summe, deren ich bedurfte. Dann machte ich auch weiter keinen Gebrauch von der Erlaubnis zu borgen und zu Gottes Ehre darf ich sagen, ich habe mir zum Bau kein Kopeken borgen dürfen. Hausvater Abram Harder |
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Zuletzt geändert am 14 Februar, 2018 |