Buch: "Mennonitisches Lexikon. Band 2. Christian Hege, Christian Neff, Harold S. Bender. Frankfurt/M. und Weierhof (Pfalz). 1937." (gotisch)
Gründer und Leiter der mennonitischen Waisenanstalt zu Großweide, Gnadenfelder Bezirk, Ukraine. Er wurde am 29 September 1866 als viertes Kind des Lehrers Harder in Hierschau geboren. Im Alter von 25 Jahren verheiratete er sich mit Justina Epp, die gleichen Sinnes mit ihm war. Der Wunsch des jungen Ehepaares ging dahin, auch etwas für den Herrn zu tun. Viel beschäftigte sie der Gedanke einer Waisenhausgründung.
Im Juni 1906 war es, als ihre Wagen mit der Familie auf den geräumigen Hof zu Großweide fuhren, dessen Bauten vor vielen Jahren einem großen Handelsgeschäft gedient hatten, und die Harder für 7000 Rubel erworben hatte, dem größten Teils seines Erlöses für seine Wirtschaft. Sofort wurde mit der Einrichtung und den nötigen Reparaturen begonnen; doch die wenigen eigenen Mittel gingen nur zu bald aus. Sogar das Mehl im Kasten wollte wollte nicht mehr reichen; die Arbeiter aber erwarteten ihren Tagelohn. Da blieb nur das Flehen um Hilfe von oben. Und sie kam. Im kritischen Moment erschien der Postbote mit einer Postanweisung auf 25 Rubel. Das war Hilfe in der Not. Und so hat der Herr in den 16 Jahren immer geholfen, ohne daß man hätte einen Menschen um Hilfe anzusprechen brauchen. Als die Einweihung der Anstalt im September 1906 stattfand, waren bereits zwei Waislein aufgenommen worden.
Im ersten Winter wurden die sich rasch mehrenden Pfleglinge in die Dorfschule zum Unterricht geschickt; doch schon im Winter 1907 – 1908 konnte eine eigene Anstaltsschule eingerichtet und ein Lehrer angestellt werden. Auch kam als direkte Gebetserhörung eine Schwester von Samara, um bei der Arbeit zu helfen. Das alles ermutigte die Hauseltern so sehr, daß sie über der Tür des Speisesaales den Spruch aus Psalm 121, 2, anbrachten, der als Wahlspruch der Anstalt gelten sollte: „Unsere Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“ Da Schule und Schlafräume mit der Zeit zu enge wurden, schritt man im Vetrauen auf Gottes Hilfe zum Neubau einer Schule, als „Ebenezer“ der göttlichen Durchhilfe. Mit der Arbeit wurde am 1. April 1912 begonnen und am 28. Oktober des Jahres konnten die neuen Räumlichkeiten eingeweiht werden, wobei der Hausvater den Versammelten mitteilte, daß der Bau 12000 Rubel gekostet habe und doch keine Schulden darauf ruhten.
1913 wurde ein Sommerhaus von Holt errichtet, den Kindern als Zufluchtsort bei Regen oder Hitze und im Sommer auch als Speisehalle dienend. Am 25. Juni 1914 wurde ein neues Gebäude zur Lehrerwohnung mit zwei Hofstellen käuflich erworben und daran ein Andachtssaal gebaut. Im selben Jahre kaufte Harder einen kleinen Chutor, 49 Desj. Land mit Garten und Gebäuden, etwa 40 Werst von Großweide ab, am Kurudujuschanflüßchen gelegen. Hier sollten die heranwachsenden Waisenkinder in der Land- und Hauswirtschaft unterwiesen werden.
Außerdem plante man den Bau verschiedener Werkstuben, um den Knaben auch die Möglichkeit zu bieten, ein Handwerk zu lernen. Doch dieser Plan wurde des Krieges wegen nicht ausgeführt; aber die Landwirtschaft war bis 1922 in Betrieb und gab den Jungen praktische Beschäftigung und der Anstalt Brot.
Im Jahre 1919, in der schwersten Kriegszeit, wurde noch eine Abteilung der Großweider Waisenanstalt in Halbstadt, vornehmlich für russische Waisenkinder, eröffnet, der ein Sohn des Gründers, auch Abraham Harder mit Namen, vorstand. Doch schon nach einem Jahr wurde diese Abteilung nach Schönau verlegt. Die russische ärmere Bevölkerung begrüßte dieses Werk mit Freuden und Dank, und es wurden weit mehr Kinder angemeldet, als man aufnehmen konnte. Aber schon 1921 nahm die Regierung diese Abteilung in die Hand und im selben Jahre wurde auch das Großweider Mutterhaus nationalisiert, nachdem die meisten deutschen Waisen bei Glaubensgenossen untergebracht worden waren, 22 aber zurückblieben. Am 11. Dezember 1921 mußten auch die Hauseltern die Anstalt verlassen, die eine andere Leitung bekam.
Im Lauf von 16 ½ jahren sind 133 Waisenkinder aufgenommen worden. Harder siedelte mit seiner Frau in das Altenheim der Molotschnaer Mennonitengemeinde über.
D.E. |