Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 6. März 1912, Seiten 5-6. (gotisch) von Elena Klassen.
Andrejewka, Aulie – Ata, Turkestan 1912.
Zuvor einen herzlichen Gruß an alle Rundschauleser! Da ich jetzt das zweite Jahr die Rundschau lese, und so manchen Bericht aus Amerika, Rußland und Sibirien gelesen habe, so will ich denn versuchen, auch aus Asien einmal etwas hören zu lassen.
Der Gesundheitszustand ist, Gott sei Dank, einigermaßen befriedigend, außer Johann Klassen leidet schon das dritte Jahr am Magen. Im Winter muß er beständig das Bett hüten. Im Sommer, in der warmen Zeit, wandert er auch mitunter in die frische Luft. Auch Onkel Heinrich Kröker leidet schon seit mehreren Jahren an der Lunge, hat es sehr schwer mit der Luft; muß jetzt auch beständig das Bett hüten. Im Sommer dagegen geht er auch bis auf den Hof. Was der Herr eigentlich an sie erreichen will, ist ihm allein bewußt; es wird für sie gebetet, aber bis dahin nach unserm Besehen, ohne Erfolg. Lassen wir den treuen, himmlischen Vater nur ruhig walten; den er meint es gut mit uns, seinen Kindern. Außerdem liegen noch einige Kinder krank.
Die Ernte war hier im vergangenen Sommer ganz schön, nicht gerade aufs Beste, aber so, daß ein jeder Brot und Saat auf das kommende Jahr hat. Dem Herrn die Ehre!
Wenn wir denn lesen; wie es in Samara und Orenburg und einem großen Teil in Sibirien aussieht, dann haben wir dagegen doch viel Grund und Ursache, dem Herrn zu danken. Mögen wir es nur nicht vergessen!
Will noch bemerken, daß ich im vergangenen Herbst nach Petropawlowsk, Sibirien, gefahren war, um meinen Schwager und Schwägerin dort zu besuchen. Es sind das Heinrich Gooßens, früher Baschlitscha, Krim. Sie wollen, wenn der Herr will, im Frühjahr nach Barnaul ziehen. Ich hatte dort Gelegenheit, auf den Pferdemarkt zu gehen. Aber wie traurig war es anzusehen; für ein großes Pferd zahlte man 3 bis 4 Rubel, für ein großes, fettes Schaf 1 Rubel 50 Kop. Als ich eines Tages bei meinem Schwager in der Bude stand, kam ein russischer Bauer und sagte: „Jetzt habe ich mein letztes Pferd verkauft zu vier Rubel, dafür will ich Mehl kaufen und das will ich mit meinen acht Kindern zusammen aufessen und dann weiter weiß Gott, wie es werden wird.“ Es ging mir durchs Herz, da ich dieses hörte, und der Gedanke: „Sind wir Turkestaner denn besser als diese Leute?“ machte sich in meinem Herzen rege. Von „besser“ ist keine Rede, aber hier sehen wir des Herrn Güte, aber dort sehen wir, daß der Herr auch ernste Sprachen zu uns Menschen redet.
Nun will ich noch etwas zu meinen Freunden in Amerika gehen, und zunächst nach Peter Neufeld, in Los Angeles, Calif. Ich las in No. 51 der Rundschau, und soviel ich mir davon erklären konnte, müssen Sie mir, liebe Tante, meine Nichttante sein. Ich gab diesen Aufsatz meiner Mama zu lesen. Die sagte sogleich: „Das ist so.“ Sie fragen dort nach Jak. Martens und Franz Quiring, Memrik. Meine Mama ist J. Martens Schwester, und ich bin ein Großkind an Jakob Martens, Wernersdorf. Meine Mama, Margareta, ist die älteste von den Geschwistern. Ich denke, Sie werden sie noch kennen, wenigstens sich zu erinnern wissen. Sie bestellt zu grüßen. Heinrich Martens wohnen auch hier. In irdischer Hinsicht geht es uns allen ganz gut. Wir sind unser zehn.
Unser Papa starb im Jahre 1906 an Magenleiden. Mama hat sich wieder verheiratet mit einem gewissen Aron Dück, welcher jetzt unser Papa ist. Wir haben ihn alle herzlich lieb. Dieses diene Ihnen zur Nachricht aus Asien. Wür würden auch gern einen Privatbrief von Ihnen lesen, die Antwort wird folgen. Wenn Neufelds die Rundschau selbst nicht lesen, dann bitte ich die Nahewohnenden, ihnen diese Zeilen zu überreichen. Danke im Voraus. Ich muß noch hinzufügen, daß Geschwister David Reimers im Jahre 1910 von hier nach Amerika zogen, und daß, wie bekannt, ihre Kinder Isaak, Peter und Jakob zurückgeschickt wurden. Was für ein Schmerz das für die Eltern gewesen sein mag, kann sich ein jeder denken. Ob sie jetzt schon bei den Eltern sind? Der eine ist wohl schon, wie ich gehört habe. Reimers waren meine Nachbarn und wenn dann so etwas passiert, denkt man mehr an die Unglücklichen, als wenn es Fremde sind. (Bitte, den Bericht „Sind das die Knaben alle?“ von F.S.Görzen zu lesen. Ed.) Wo sie jetzt wohnen, weiß ich nicht. Nun noch einen herzlichen Gruß an Freunde und Bekannte, wenn ich sie auch nicht alle kenne, macht zur Sache nichts.
Von meiner Frau Seite kenne ich sehr wenig. Aber daß da noch Abraham Friesens Kinder in Manitoba wohnen, habe ich in der Rundschau gelesen. Meine Frau ist eine geborene Friesen, David Friesens Sara, Baschlitscha, Krim. Die Schwiegereltern wohnen auch hier. Sie zogen im Jahre 1908 von der Krim hierher; manche der lieben Leser werden sie kennen.
Grüßend verbleiben wir, eure
Jak. u. Sara Reimer. |