Brief von Jacob Mandtler aus Andrejewka, Asien in der "Mennonitische Rundschau" vom 29. März 1911, Seite 19

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 29. März 1911, Seite 19. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Andrejewka, Asien, den 15. Januar 1911. Noch etwas aus Turkestan. Der Herr redete zu uns am 22. Dezember 1910 durch ein Erdbeben, ein Viertel vor 5 Uhr morgens. Dem Herrn die Ehre, es war bei uns nicht zerstörend; doch war es so stark, daß einige Türen aufsprangen und die Hühner von ihrem Sitz fielen und schrieen. Von uns östlich und nordöstlich, da hat der Herr stark Gericht gehalten. Wo allerwärts wissen wir noch nicht; es sind dort in den Städten und Dörfern Häuser eingestürzt und Menschenleben zum Opfer gefallen. O, dann seufzt man: „Herr, sind wir besser als jene Menschen?“ O nein! Doch Gottes Gnade ist groß über uns und handelt nicht nach Verdienst.
Uebrigens ist hier nicht was besonderes passiert. Bruder Klaßen ist immer im Bett an Magenleiden. Er hat schwere Zeiten, sehnt sich, aufgelöst zu sein.
Unser alter Aeltester Heinrich Kröker leidet noch immer an Asthma; schon den 8.Winter; kann gar nicht an die Kälte kommen. Das ist auch schwer, er ist aber getrost, und harrt der Auflösung entgegen. Er ist 69 Jahre alt. Welche Gnade, ich bin nicht ganz zwei Jahre jünger, und bin noch so ziemlich rüstig, gehe und fahre so wie ich will; Dank sei dem Herrn dafür!
Wir haben bisher ziemlich trocken gehabt, auch viele schöne Tage, bis 7 Grad warm. Jetzt haben wir etwas Schnee, sodaß das Schlittenfahren so leidlich geht. Heute waren 10 Grad Frost. Den 16. Januar, Sonntag, schneite es wieder bis Mittag. Jetzt ist die Schlittenbahn ziemlich gut.
Die Getreidepreise bleiben ziemlich so stehen: Der Weizen per Pud 1 Rbl. 10 Kop., Hafer per Pud 70 Kop. Futter ist auch teuer.
Hörte heute, den 16. Januar, daß in der russischen Zeitung von 700 obdachlosen Familien geschrieben war, durch die Katastrophe des Erdbebens. Es war die Bemerkung dabei, daß es noch mehr sein würden.

Jacob Mandtler.

Serdarskaja Oblastj, Aulie-Ata, Andrejwka, Asiatisches Rußland.
   
Zuletzt geändert am 24 Februar, 2021