Brief von David Janz, Orenburg über seine Reise nach Turkestan in der "Mennonitische Rundschau" vom 31. März 1909

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 31. März 1909, Seiten 8, 13. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Unsere Reise nach Turkestan und zurück.

Von David Janz, Orenburg.

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“ Jes. 55,8.
So waren auch Gottes Gedanken über mich anders als ich dachte, ich hatte mir vorgenommen, nach Sibirien zu reisen, erstens unsere Kinder auf Pawlodar zu besuchen, und dabei auch Gottes Wort zu verkündigen wo sich Gelegenheit darbot, und hatte mir vorgenommen auf dem Rückwege auch auf Omsk etliche Freunde und Bekannte zu besuchen, doch plötzlich eines Morgens erkrankte ich, bekam die Cholera, wurde in den Krämpfen so zugerichtet, daß mein Leben in Gefahr war, doch der Herr dachte anders; Gott machte mich gesund, doch für die Reise nach Sibirien war ich nun unfähig, war zu sehr herabgekommen. Als ich gesund war, wurde ich aufgefordert mitzureisen nach Turkestan mit Br. Aron Reimer, wohnhaft in Stepanowka. Ich fragte den Herrn und ich konnte es glauben, daß es auch des Herrn Wille war und wir fuhren den 27. Oktober zur Station Platowka. Wir baten den Herrn, er sollte uns einen guten Platz im Waggon schenken und der Herr erhörte uns auch in diesem, und so ging`s auch bald an die Arbeit; wir hatten russische Traktaten mit, welche wir verteilten, und dann gab`s auch Gelegenheit Zeugnis abzulegen; etliche brachten selbige zurück, da gab es verschiedene Fragen und Antworten. Br. Reimer, der die russische Sprache handhaben kann, durfte freies Zeugnis ablegen; nur schade, uns widersprach ein Gottesleugner oft, doch auch da wurde die Ehre Gottes gerettet. Als die Leute sahen, daß er ein Jude war, gaben sie uns recht und waren aufmerksam und sagten, der Deutsche hat ganz recht und auch er selbst wurde still. Anfangs schien es ihm zuwider wenn wir unsere Kniee beugten neben ihm, doch er wurde immer stiller; wir ezählten ihm, wie der Herr schon manchen Juden bekehrt habe, und auch unser Zusammensein wird nicht vergeblich sein. Beim Abschied in Taschkent drückte er uns die Hände und wir fühlten, daß er uns doch lieb gewonnen hatte. Wir hatten den Herrn gebeten, er sollte uns einen Deutschen auf die Station zuführen, und als wir ausstiegen, da spricht uns ein Jüngling an und fragte uns ob wir nicht Deutsche seien. Es war Geschw. Martens Heinrich, der wartete auf seinen Vater, der von der Krim kommen sollte, doch selbiger war nicht da und der Jüngling führte uns ins Quartier. Dann fing ein neuer Kummer an, wie nun die 350 Werst hinkommen? Aber der Herr, der uns reisen hieß, hatte für uns gesorgt, den andern Tages auf Mittag durften wir mit Br. Kornelius Neumann und Peter Wiens von Gnadenthal mitfahren. Wir fuhren zu Sonntag nach Konstantinowka 30 Werst hinter Taschkent, ein ziemlich großes Dorf. Lutherische Brüder hielten Samstag Versammlung im Segen, Sonntag hielten sie Kirche wie sie es nennen. Nachmittags hatten wir wieder Versammlung und unter Thränen nahmen wir Abschied und fuhren weiter; dann haben wir manches Interessantes gesehen; ja wir haben Gottes Macht in der Natur mehr kennen gelernt; wir haben aber auch die Blindheit der armen Bevölkerung dort gesehen. Ach, das arme mohammedanische Volk glaubt noch was zu haben und hat in Wirklichkeit nichts.
Unsere Reise, trotz dem schlechten Weg, ging sehr gut; unsere Fuhrleute waren uns sehr zum Segen. Auf der letzten Station kamen die Brüder Aron Janzen und sein Schwager Wall uns schon entgegen und abzuholen; die Freundlichkeit der lieben Brüder war schon ein Segen für uns. Fuhren noch mit uns in das Gebirge, um uns noch manches zu zeigen. Ja wunderbare Gefühle bemächtigten mich dort; die furchtbar hohen Felsen, der starke Strom des Flusses, der durch das gebirge zog, als hätte er große Eile. Ich dachte an den Dichter: „Schnell wie der Wind entflieh`n die Stunden“ u.s.w.
Abends kamen wor dort bei den lieben Geschwistern in Nikolaipol an. Den von hier hingezogenen Geschwistern war es eine große Freude, uns wieder zu sehen; glaubten eigentlich ein Vorrecht zu haben, uns am ersten zu beherbergen, aber wir waren auch bald mit den anderen Geschwistern im Geist verbunden. Den andern Tag wurde es geordnet, wie wir arbeiten sollten. Br. Mandtler und ich machten gleich Hausbesuche über Tag; am Abend hielten wir Versammlung, einen Abend im Gnadenthaler Versammlungshaus der Brüdergemeinde, den andern Abend im Köppenthaler Versammlungshaus im reichen Segen. Br. Reimer besuchte seine Freunde und dann machte er auch Hausbesuche über Tag; auch Ohrloff wurde einen Sonntag besucht, da sind die meisten lutherisch; auch da waren wir reichlich gesegnet, überall, sowohl dort als auch bei unseren Geschwistern und der Köppenthaler Gemeinde fanden wir freunde Aufnahme und ich in meinem Teil sage nochmals herzlichen Dank für alle Liebe. Ich achte mich nicht wert aller Barmherzigkeit, die mir dort widerfahren ist.
Wir durften in der Zeit einen Begräbnis und auch einer Hochzeit beiwohnen, auch da ließ sich der Herr nicht unbezeugt, wir fühlten einen reichen Segen. Auch sprach der Herr in der Zeit ernstlich zu uns. Geschwister Jakob Janzens, die nicht zu Hause waren, deren Sohn erkrankte an den Pocken und nach etlichen Tagen starb er; er war ein Kind Gottes, doch kam es uns zu rasch vor; er war, wenn ich recht bin 18 Jahre alt. Den 22. November war Hochzeit im Gnadenthaler Versammlungshause; Geschwister Heinrich Spensten Tochter, Katharina mit Abr. Kröker.
Sonntagvormittag wurde das heilige Abendmahl unterhalten im großen Segen; wir versprürten die Nähe des Herrn. Nachmittags war Abschied, da kamen die lieben Köppenthaler auch und es war eine große Versammlung. Beim Abschied fühlten wir wie nahe wir verbunden waren. Ich werde den Tag nie vergessen, ich werde für die  lieben Turkestaner mehr beten als bis jetzt und ich glaube auch von mehr Betern vor den Thron Gottes gebracht zu werden.
Der Abschied war ein herzlicher; auch ließen sie uns nicht leer ausgehen, wir bekamen jeder 30 Rubel zur Reise, wofür wir nochmals viel Dank sagen allen, die sich daran beteiligt haben. Ich durfte mit dem lieben Br. Mandtler fünf Tage und die übrige Zeit mit Br. Braun 75 Hausbesuche machen und wo uns von den vielen Erfahrungen, welche die lieben Geschwister auf Turkestan gemacht haben, vieles erfahren habe und bin durch die Mitteilungen sehr gesegnet worden, dem Herrn die Ehre dafür. Ich muß bekennen, trotz meiner Bangigkeit war der Segen des Herrn mit uns sowohl  in den Ansprachen als auch in den Hausbesuchen.
Den 24. November fuhren wir mit dem lieben Bruder Aron Janzen (meint er Aron Reimer? (s.oben) – E.K.) ab nach Taschkent, der nun diese lange Reise sich unentgeltlich aus Liebe übernommen hatte. Gott segne ihn dafür. Am 28. November kamen wir wieder in Konstantinowka an, wir wollten sonst noch bis Taschkent fahren, aber die Gläubigen nötigten uns über Nacht zu bleiben; wir hielten dort Abendversammlung und als wir in unser Quartier gingen, folgten uns etliche Seelen, die uns in Verlegenheit brachten, die wünschen getauft zu werden, es waren zehn Personen. Wir waren dort sechs Mennoniten Brüder, die dort zusammen waren, sie fühlten die Aufgabe vom Herrn, uns ihre Bekehrung zu erzählen, welches auch im Segen geschah und konnten ihnen auch glauben, daß sie von neuem geboren waren, und dann hieß es: „Tauft uns, und wenn es auch des Nachts geschieht.“ Sie waren zu allem willenlos, wir fragten anch dem Wasser und selbiges war etliche Werst entfernt vom Dorf und ein sehr reißender Strom. Obzwar es da nicht Winter war und auch nicht gefroren hatte, so war das Wasser doch des nachts ziemlich kalt, weil das mit Schnee bedeckte Gebirge von dort nicht sehr weit entfernt ist, und wir hatten doch wohl nicht genug Vertrauen Gott gegenüber, erstens weil wir beide schwächliche Personen waren, dann aber auch etliche Schwestern von ihnen uns ziemlich schwächlich aussahen und so sagten wir es ihnen für diesmal ab, welches ihnen aber sehr schwer fiel. Sie hielten uns um den Hals und weinten, wir suchten sie zu trösten, doch fühlten wir`s, wir waren ihnen in diesem nur leidliche Tröster und ich in meinem Teil fühle auch heute eine Beschuldigung darüber. (Habt Ihr es denn nicht geordnet, daß jene Leute bedient werden? – Editor.)
Von da fuhren wir nach Taschkent; Sonntag waren wir in der russischen Versammlung in Taschkent, die war ziemlich gefüllt, auch ein russicher Priester war erschienen in der Versammlung. Erst sprach ein russischer Bruder und dann Br. Reimer; der Herr schenkte Br. Reimer besonders Gnade; wir Brüder beteten und er predigte; der Segen des Herrn war fühlbar in der Versammlung zu vernehmen. Abends war wieder Versammlung, wieder sprach ein russischer Bruder, dann Br. Reimer; auch dann war der Herr mächtig in der Versammlung; das größte Teil waren Soldaten, auch etliche Unteroffiziere warfen sich auf die Kniee und dankten Gott unserem Heiland, daß er ein Licht in Taschkent angesteckt habe; auch unter den Soldaten! O, meine Gefühle gingen mit mir durch, wie ich die jungen Leute so eine demütige Stellung einnehmen sah – ach war das eine Gebetsstunde nach der Versammlung; sie baten so kindlich, der Herr möchte ihr Häuflein mehren, es waren dort ziemlich Soldaten; 13 Tausend Soldaten stehen in Taschkent und was war dann diese kleine Schar gegen so viele! Sie baten uns für sie zu beten, und ich möchte alle Missionsgeschwister bitten, betet für sie im Kämmerlein und in der Oeffentlichkeit. Aber ich möchte auch noch mehr sagen, unterstützt diese lieben Geschwister dort in Taschkent, sie müssen 12 Rubel monatlich für das Gebetslokal zahlen; die Geschwister sind durchschnittlich arme Leute; da legen die armen Soldaten ihre ersparten Kopeken ein, da legt ein Fuhrmann, der am ganzen Tage gefuhrwerkt hat, um seine Familie zu unterhalten, auch seine Kopeken ein; da ist der Kolporteur, der den ganzen Tag sich müde geht, um seine Familie zu erhalten, er legt seine Kopeken ein u.s.w. O teure Geschwister! Fragt den Herrn, ob Ihr nicht auch eine Aufgabe habt, diesen lieben Geschwistern zu helfen. Wenn jemand eine Aufgabe fühlt und will eine Gabe senden, kann er sie an Br. Reimer im Dorf Stepanowka senden, selbiger wird es befördern.
Den 5. Dezember durften wir durch Gottes Gnade wieder die Unseren begrüßen und gemeinschaftlich dem Herrn danken. Ich empfehle mich der Fürbitte aller Kinder Gottes. Einer Mitpilger nach Zion.
Tschorne Oser (Schwarzer See – E.K.)

   
Zuletzt geändert am 21 Januar, 2017