Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" Nr. 42 vom 17. Oktober 1888, Seite 1. (gotisch) von Elena Klassen.
Asien.
Aulieata (Gnadenthal), 18. Aug. 1888. Gottes Gnade und Segen mit allen Lesern! „Gottes Wege sind nicht unsere Wege und Seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken.“
Dieses Wort hat sich auf unserer Ansiedlung auch wieder reichlich erfüllt. Mancher hatte schon berechnet, wie viel er mit seinem Rindvieh einnehmen wird und auf einmal ist von Gott ein Querstrich durch solche Rechnung gethan worden, denn Mitte Juni brach die Rinderpest aus und sind bis jetzt schon 143 Stück gefallen und noch ist kein Stillstand merkbar. Stellenweise sind die Thiere wohl genesen, aber auf einigen Stellen ist noch auch nicht eines geblieben.
In Nikolaipol sind mit denen, die im Winter gefallen sind, 110, in Gnadenthal 73 und in Gnadenfeld 1 Stück zu Grunde gegangen.
Wir haben dieses Jahr einen sehr dürren, heißen Sommer gehabt, nur einmal so viel Regen, daß der Staub genetzt war, und daher ist der Ernteertrag auch bedeutend geringer als voriges Jahr. Wenn hier auch bewässert wird, so ist der Regen doch immer wünschenswerth und nothwendig. Wenn der Herr Seinen Segen zurückhält, so ist des Menschen Thun umsonst. Die Hitze ist hier von 22 bis 29 Grad R. gewesen und in Taschkent bis 40° R. im Schatten.
Johann Regehrs und Cornelius Wall, Sen. (fr. Trakt), welche nach der alten Heimath gereist waren, sind den 9. d. M. wieder wohlbehalten hier angelangt. Die Reise hat für eine erwachsene Person ungefähr 105 Rbl. gekostet, d.h. hin und zurück, aber ohne Beköstigung. Sie sind nach ihrer Rückkehr nicht wenig befragt worden, denn Jeder möchte gerne von seinen Verwandten etwas wissen.
Es sind diesen Sommer hier noch drei Familien angekommen, Peter Janzens und Peter Neumans vom Trakt (Wolga) den 29. Juni und Jacob Suckaus von der Samarischen Ansiedlung den 1. Juli; Peter Janzens mit vier Wagen und die anderen Zwei jeder mit zwei.
Auch sind sechs Kinder auf sonderbare Weise hierher gekommen. Es haben sich nämlich noch drei Familien aus dem Samarischen auf den Weg gemacht (Polnisch-Deutsche), um sich hier in dieser Gegend anzusiedeln. Als sie in Orsk (1629 Werst von hier) angekommen waren, betrank sich der Vater einer Familie und ließ die Seinigen im Stich, gab seiner Frau aber noch einiges Reisegeld. Die Leute nahmen ihre Reise dann über Sibirien, weil Jemand von ihnen dort Verwandte hat. Uener Sibirien hierher ist etwa 2000 Werst Umweg. Als sie in der Stadt Simmepalatiensk (Semipalatinsk – E.K.) (1550 Werst von hier) angekommen, blieben zwei Familien dort, während die von ihrem Mann verlassene Frau mit ihren fünf Kindern die Reise allein fortsetzte, in der Hoffnung, daß ihr Mann sich auf einem anderen Wege nach Aulieata begeben hat. In einem Russendorfe zwischen der dritten und vierten Station von Aulieata kam die Frau nieder, gebar ein Kind und starb. Der Starost (so wie ein Dorfschulze – E.K.) sandte hierauf das älteste Mädchen, welches noch nicht 14 Jahre alt ist, mit dem neugeborenen Knäblein per Post nach Aulieata zum Natschalnik (Vorsteher – E.K.) und die anderen Kinder haben sie später auch dorthin gebracht. Nachdem der Natschalnik von den Kindern ihre Leidensgeschichte erfahren, bemühte er sich, den Vater zu suchen und soll ihn auch gefunden haben. Der Mann, der ein großer Trunkenbold ist, soll sich aber nicht mehr im Besitze des Fuhrwerks befinden, welches er beim Verlassen seiner Familie mit sich genommen.
Die Kinder sollen recht gut russisch sprechen; das älteste, ein Knabe, ist 15 Jahre alt. Während dieser Zeit sind Einige von unserer Ansiedlung nach Aulieata gefahren und haben die erwähnten Kinder mitgebracht und auch vorläufig in Pflege genommen. Das neugeborne Kind ist den 12. d.M. gestorben. Wie es denn weiter mit dem Vater und diesen Kindern werden wird, wird die Zeit lehren.
Der Gesundheitszustand ist auf unserer Ansiedlung ziemlich gut, dem Herren Dank! Einen herzlichen Gruß an alle Freunde und Bekannten und Alle, die Jesum lieb haben.
Cornelius Dück |