Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" Nr. 32 vom 12. August 1885, Seite  1. (gotisch) von Elena Klassen. 
  
Asien. 
Aulieata,  Nikolaipol, 7. Juni 1885. 
        Lieber  Editor! Bei guter Gelegenheit will ich nicht unterlassen, der „Rundschau“  einige Berichte zu bringen, falls sie bedürftig ist. An dem Gesundheitszustand  in unserer Ansiedlung bleibt gegenwärtig viel zu wünschen; der Herr redet eine  recht ernste Sprache. Der alte Peter Wiebe aus Wernersdorf ist am 16. April  plötzlich vom Schlagfluss (altes Wort für Schlaganfall – E.K.) an der rechten  Seite befallen worden, so daß er um wenige Minuten sprachlos und an derselben  Seite gänzlich entkräftet dalag. Einige Zeit hat er sprachlos gelegen, und so  gerne er auch hat sprechen wollen, hat er es doch nicht vermocht, so daß er  mitunter angefangen hat zu weinen. Jetzt kann er schon wieder etwas sprechen,  aber die Kräfte scheinen nicht zuzunehmen. 
        Darum  lieber Leser, laßt uns nicht vergessen der Elenden, wenn`s uns wohl geht. Jakob  Wiebe, erwähnten P. Wiebe sein Sohn, hat fast den ganzen Winter an Reißung  gelitten in allen Gliedern, woran er mitunter hart darniedergelegen und auch  jetzt noch gänzlich unfähig zur Arbeit ist. Peter Wiebe, ebenfalls P. Wiebe`s  Sohn, liegt ebenfalls an besagter Krankheit seit einiger Ziet darnieder. Dieses  Frühjahr ist auch besonders ungesund, zumal es bin und wieder sehr warm und  dann auf einmal wieder eisig kalt ist. Den 4. Juni war`s über 25 Grad warm, und  den 5. schneite es so auf die Gebirge, daß die niedrigen Gebirge fast bis unten  mit Schnee bedeckt waren. Dieser kühlen Witterung halber sind die Flüsse noch  bis den 23. Mai arm an Wasser gewesen, und hat deshalb Einer und der Andere  nicht so viel säen können als sein Vorsatz gewesen, zumal das Land so zu  pflügen zu trocken war, weil keine Winterfeuchtigkeit war, und Wasser zum  Bewässern auch zu wenig. Den 5. März wurde die Saatzeit begonnen, und den 6.  und 7. war`s von 16 bis 20 Grad warm, und am 13. fror es 6 Grad und dasselbe so  4 Tage. Bis den 10. Mai hat die Saatzeit des Letzten gewährt. Den 30. April hat  Br. J.Janzen auf der Reise nach Taschkent ein entsetzliches Schauspiel gesehen,  etwa 260 Werst von hier. Es sind etwa 54 Gefangene, welche in Taschkent  verurthelt worden und auf dem Wege nach Sibirien waren, von etwa 50 Mann  Militär getrieben worden, welche in einer Karawanserei (ein sardischer  Anfahrtshof.) (eine Art Gasthaus von damals – E.K.) übernachteten, allwo die  Gefangenen im hintern und die Soldaten im vorderen Raume desselben Verhälnisses  einquartirt waren. Nachdem die Soldaten sich zur Ruhe begeben, außer drei Mann,  die im Thor auf Wache standen, haben sich diese Gefangenen, obwohl in Ketten  und Banden gefesselt, so gut wie möglich zum Laufen gerüstet, und alsdann alle  zugleich mit Sturm sich auf die drei Mann Wache im Thor geworfen, dieselben  niedergeschlagen und alsdann die Flucht genommen. Da es aber bei solcher Scene  nicht ein Kleines abgegeben hat, so sind auch die andern Soldaten erwacht und  haben sich denn eiligst aufgemacht, um die Gefangenen wieder in ihre Gewalt zu  bekommen, wobei 21 der Gefangenen von den Soldaten niedergemetzelt worden sind;  24 sind entlaufen und 9 noch zurückgeblieben, die nicht entlaufen sind. Des  Nachts auf den 30. April solches geschehen, und am kommenden Morgen hat Br.  Janzen erwähnte  Leichname gesehen, wie  sie zusammengeschleppt auf dem Gesichte oder Rücken lagen, voll Bajonet- und  Kugelwunden, im Blute, schauderhaft zugerichtet. Solches in ein Lohn der  Verbrecher auf dieser Erde, und was wird der Lohn eines Menschen am jüngsten  Tage sein, der hier des Heilandes Hand verschmäht und zu spät mit der Buße  kommt? Ein Aehnliches haben Br. Aaron Dück und Franz Pauls auf der Reise von  Taschkent nach Hause, am 4. Mai gesehen. Auf eine Poststation, etwa 175 Werst  von hier, ist ein Sarde gekommen und hat eiligst Postfuhrwerk verlangt. Nachdem  der Postverwalter ihm die dazu erforderlichen Papiere abverlangt und er keine  gehabt hat, hat dieser Sarde sogleich sein Messer aus der Scheide gezogen und  den Postverwalter erstochen. Des Postverwalters Frau, die solches in der andern  Stube vernommen, ist herbeigeeilt, und sogleich hat er auch die Frau angefallen  und mit etwa vier wahrscheinlich tödtlichen Messerhieben und Stichen verwundet.  Unweit dieser Sration ist ein Soldatenlager gewesen, nach welchem Einer von der  Station sogleich geeilt ist, um Selbiges anzumelden, worauf die Kosaken dem  unterdessen davongesprengten Mörder auch gleich nachgejagt und ihn nach etwa 30  Werst ereilt haben. Diese Mordthat ist am hellen Tage geschehen. Dieses hat der  Postverwalter noch selbst Br. Pauls erzählt, mit dem Bemerken: „Als ihr nach  Taschkent fuhret, war ich gesund; und jetzt muß ich sterben.“ Br. Pauls hat  noch geholfen ihm aufhefsen, um das Blut abzuwaschen, und hat die Wunde  gesehen, die in die Herzgrube hineingestochen war, und zum Rücken heraus. Der  Mann ist nach einigen Stunden gestorben. Für die Frau war keine Hoffnung auf  Genesung. Ich sammt Schwestern und Schwager sind gesund und wünschen ein  Gleiches. Nebst Gruß an alle Freunde, Bekannten und Leser, 
Cornelius  Dück. 
  
Zur  Auswanderung von Asien nach Amerika. 
      Durch ** gesammelt in Marion County                            $ 42.00 |