Brief von einem Unbekannten aus „Wächter“, Auskunft und Subscriptionen fürs Ausland in der "Mennonitische Rundschau" vom 23. Januar 1884

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 23. Januar 1884, Seite 2. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Asien.
Nachrichten von der in das Chanat Chiwa ausgewanderten sogenannten Claas Epp`schen Mennoniten – Gesellschaft.
Indem sich die Erlaubniß der Niederlassung, überhaupt die chiwesische Aufnahme verzögerte, verspätete sich die Bodenbereitung zur Aufnahme der Saaten. Es ist dies dort aber auch ein schweres Werk; denn es müssen Stubben ausgerodet, der Boden zur Bewässerung geebnet und demselben außerdem noch durch Aufschüttung und Vermengung hier mit Sand, da mit Lehm zu Hilfe gekommen werden. Das Wasser muß durch Mühlwerk in die Bewässerungskanäle hinaufgehoben werden. Was man noch pflanzte  und aussäete, gedieh recht gut, aber es kamen Heuschrecken, wilde Schweine, darunter Bestien, fast wie kleine Kühe und Schakale, und Jedes zehrte, was ihm behagte. Für die Menschen blieb sehr wenig, fast nichts übrig. Außerdem soll bei Vielen weder Kraft noch Mittel ausreichen, um, menschlich berechnet, eine Ernte im künftigen Jahre zu ermöglichen. Ja auch die Baarmittel der Bestbemittelten, welche ihr Vemögen brüderlich darangaben, sollen am Versiegen sein. Ferner leidet die Gesselschaft immer mehr unter der Raubsucht ihrer Landesgenossen, der Turkmenen, die ihnen Pferde, Kasten mit Sachen und andere Dinge schon so zu sagen unter den Augen wegnehmen; kaum daß sie sich fortbewegen, wenn herbeigerufene Hilfe kommt. Einzelne Wächter fürchtet man nicht mehr, besonders nach einem Raube mit Ermordung des Hausvaters. Z.B.: Ein junger Mann, der sein Nachtlager auf dem platten Dache aufgeschlagen hatte, bemerkte, daß ein Turkmene ein Pferd nehmen wollte. „Freund, geh weg!“ rief er ihm in der Landessprache zu. Der Dieb antwortete mit einem Schuß, von welchem glücklicherweise nur einzelne Schrotkörner  den jungen Mann ins Ohr und Kinn trafen, während der eigentliche Schuß vorbeiging. Darnach entfernte sich der Dieb etwas, kam dann wieder zurück und holte das Pferd. Eingedenk des kürzlich vorhergegangenen Raubmordes wagte der junge Mann weder Hilfe herbeizurufen, noch selbst Einspruch zu erheben. Der erwähnte Mord geschah unter folgenden Umständen: in einer Nacht drangen die Turkmenen in die Wohnung einer Familie (Namens Abrahams) ein. Die Frau erwachte von einem Geräusch in dem andern Zimmer, oder wie man sonst die Abtheilungen in ihren Zelten nennen will; auch drang ein Lichtschimmer durch eine Thürspalte. Sie weckte ihren Mann, welcher aufsprang und seiner Frau zurufend: „Nun sind die hier!“ zur Thür eilte. Hier wurde er von Säbelhieben empfangen. Der Frau gelang es noch, zum Fenster hinauszuspringen, sie wurde aber noch gewahr. Wie ein Turkmene, in der einen Hand ein Licht, in der andern eine Säbel, in die Schlafzimmer kam. Außer sich vor Schrecken verkroch sich die Frau, als sie glücklich im Nachbarhause angekommen war, unter`s Bette und sagte leise: „Seid nur ganz stille, sie kommen!“ Als die zusammengelaufenen Brüder zum Schreckenshaus gingen, war kein Mensch da, Abrahams lag, aus etwa 20 Säbelwunden blutend, entfernt am Boden, Kasten mit Sachen, Kleider ect., alles war fortgeschleppt. Was den Zuruf des Mannes näher erklären dürfte und den Schrecken der Frau noch besonders vermehrte, ist der Umstand, daß dem Anscheine nach, und wie die Frau selbst fest glaubt, die Hauptabsicht der Räuber Frauenraub gewesen. Schon mehrmals hatten Turkmenen ihrem Manne die Frau abkaufen wollen und schon eine ansehnliche Summe für sie geboten. Und eben einen solchen Käufer, der vor wenigen Tagen abschlägig beschieden worden, glaubte sie erkannt zu haben. Die Behörde nimmt keine besondere Notiz von derlei Vorkommnissen. Da heißt es einfach: Ihr müßt dichter zusammenbauen (die Häuser stehen 100 Fuß auseinander) (das einzige heute noch übliche Fußmaß ist 30,48 cm – E.K.), tüchtige Mauern aufführen, selbst Wache stehen und die Räuber niederschießen, oder euch Leute dazu dingen ect. Auch der  russische Grenzbeamte, welchem man die Noth klagte, gab wenig Trost. Einzelne Familien, die gern zurück in die verworfene Heimath möchten, und denen es an Reisemitteln, von Hause zugesandt, nicht fehlen würde, schreckt die Furcht vor dem Zuge durch die Turkmenensteppe in geringer Anzahl von der Rückkehr ab. Einzelne Personen, so stark die Sehsucht, so stark das Verlangen auch sei, dürfen schon gar nicht an die Rückkehr denken. Claas Epp, der Führer, scheint in seinem Geiste noch immer höher zu steigen. Unter Anderem hat er nun auch das Hohelied Salomonis in besonderer Weise ausgelegt und einzelne Stellen auf sich bezogen. Doch hat er auch schon einen großen Theil der Gesellschaft gegen sich. Einer derselben, ein leiblicher Bruder eines lutherischen Pasters, hält schon seine eigenen besonderen Stunden; überhaupt halten Verwirrungen die Gemüther in Aufregung. Ein Versammlungshaus aber haben sie noch alle gemeinschaftlich erbant (erbaut? – E.K.); es mußte daran jede arbeitsfähige Mannsperson zwei Tage in der Woche arbeiten.
Gott, der da barmherzig, gnädig, geduldig und von großer Güte ist, wolle sich ihrer erbarmen. Oder wird die Endentscheidung eine schreckensvolle  Entscheidung, wie die Turkmenen ihnen schon vorausgesagt haben, wenn die Brüder sich nicht gut bewaffnen und befestigen, vielleicht bald, viel eher, als im Jahre 1889, der von Epp gegenwärtig bestimmten Zeit, und auf ganz andere Weise eintreten? Ein Bruder sprach sich gegen Einsender dieses dahin aus, daß der befürchtete Ausgang, als Ermordung oder Sklaverei, eben der Weg der Barmherzigkeit Gottes sein könnte, zur ewigen Errettung dieser vielleicht weitverirrten Brüder und ihrer Einführung in das erwartete Herrlichkeitsreich Jesu.

„Wächter“

 

Auskunft –

In Nummer 44 der „Rundschau“ vorigen Jahres fragt Heinrich Janzen, Köppenthal, Asien, nach der Adresse des Onkels Abraham Klaßen, Siemensdorf, Preußen, welche auch ich sehnsuchtsvoll erwarte. Meine Adresse ist:
Abraham Delesky, Reaville, Boone Co., Nebraska, Nordamerika.

 

Subscriptionen (abonnieren – E.K.) fürs Ausland –

Cornelius Funk, Aulieata, Asiatisches Rßl.

   
Zuletzt geändert am 17 Dezember, 2016