Die Ansiedlung der Deutschen in Russland fing schon während der Herrschaft Peter I. an und wurde danach von der Regierung Katharina II. fortgesetzt. Eine der größten war die Ansiedlung nach dem von Katharina II. herausgegebenem Manifest von 22. Juli 1763. In der Zeit von 1764 bis 1772 siedelten im Wolgagebiet 8.000 deutsche Familien aus Deutschland, etwa 27.000 Seelen, sie gründeten 104 Kolonien.
Die zweite Welle deutscher Ansiedler kam Anfang des 19. Jahrhunderts nach Russland und siedelte in der Ukraine und im Kaukasus.
Die Geschichte der Wolgadeutschen zeugt von schweren wirtschaftlichen Problemen, welche auf diesen unbewohnten Weiten überwunden werden mussten. Besonders schwer waren die ersten zehn Jahre, während dieser Zeit starb etwa die Hälfte der Siedler. Raues Klima, mangelnde Kenntnisse der örtlichen Bedingungen für die Landwirtschaft, eine Reihe von Missernten, schlechte Organisation der staatlichen Hilfe und Korruption der Regierungsbeamten – so waren die Bedingungen unter welchen die Kolonisten den Aufbau ihrer Siedlungen bewerkstelligten.
Nach der Revolution war eine der ersten Handlungen der Sowjetregierung auf dem Gebiet der Nationalitätenpolitik die Bildung der „Arbeiterkommune der Deutschen des Wolgagebiets“ im Jahr 1918.
1924 wurde die Kommune zur Autonomen Republik der Deutschen des Wolgagebiets umgewandelt und es wurde eine Reihe von deutschen Nationalrayonen in der Ukraine, auf dem Kaukasus, in Altai und im Orenburger Gebiet gebildet.
Übersiedlung der Deutschen in das Orenburger Gebiet
In der Ukraine gab es zu dieser Zeit kein freies Land mehr. Eltern, die mehrere erwachsene Kinder hatten, die kein Land besaßen, bildeten Kommissionen für die Suche nach freiem Land. Solches Land fand man in der orenburgischen Steppe bei den Großgrundbesitzern Pleschanow und Krassikow.
Das Land wurde in Kolonien aufgeteilt. Es wurde noch in der Ukraine per Los entschieden, wer in welcher Kolonie wohnen würde. Oft war es so, dass nahe Verwandte in verschiedene Kolonien kamen. Die Dörfer wurden durchnummeriert, Namen haben sie erst später erhalten. Das Land war sehr fruchtbar, die Bedingungen für die Landwirtschaft waren günstig, darum sind die Siedler schnell auf die Beine gekommen. Nach wenigen Jahren haben sie Häuser gebaut, das Land bearbeitet, auf dem vorher nur Wermut und Federgras wuchsen. Es hat aber große körperliche und moralische Kräfte gekostet. Die Siedler arbeiteten von morgens bis nachts.
Ende des 19. Jahrhunderts fing die Massenansiedlung der Deutschen im Gouvernement Orenburg an. Sie stammten aus den Landgemeinden Halbstadt und Gnadenfeld, Berdjanskij Ujesd, Gouvernement Taurien. Sie siedelten im Busuluker Ujesd des Gouvernement Samara. Das Land wurde von den Kaufleuten I. M. Pleschanow und F. F. Krassikow gekauft, insgesamt 20388 Desjatinen für je 34 Rubel pro Desjatine, mit Rückzahlung des Kredits bis 1933. Das Land wurde in 40 und 80 Desjatinen große Hofstellen aufgeteilt. Im Durchschnitt gab es in einem Dorf 40 Hofstellen. Wolispolkom (Wollost Exekutivkomitee) befand sich im Dorf Pleschanowo. Erster Vorsitzender war Tessmann, der erste Sachbearbeiter Schmidt.
Der Kaufmann Pleschanow bat, eines der Dörfer nach ihm zu benennen, dafür gab er Geld für den Aufbau des Bethauses (Dorf Pleschanowo, Klub der Kolchose).
Etwas später wurde von den Deutschen das Land bei Orenburg besiedelt (Perewolozkij, Alexandrowskij und Nowosergejewskij Rayon). Auf dem Territorium unseres Krasnogwardejskij (ehemals Luxemburgskij) Rayon, damals Gouvernement Samara, Busulukskij Ujesd, Wosnesenskaja Wolost, bildeten die Siedler 14 Kolonien: Krassikowo, Podolskoje, Kuterlja, Lugowskoje, Kaltan, Pleschanowo, Bogomasowo, Jugowka, Donskoje, Dolinsk, Ischalka, Klinok, Annenskoje, Kamenez (später Wladimirowka und Rawnopol). Im Durchschnitt gab es in jeder Kolonie 40 Hofstellen.
Besiedlung des Dorfes Dolinsk
Das Dorf Dolinsk wurde 1890 gegründet. Die Ansiedler stammten aus dem Gouvernement Taurien. Das Dorf bekam seinen Namen vom russischen Wort „Dolina“ (auf Deutsch Tal), weil es in einer Ebene, im Tal des Fluss Tock liegt. In Dolinsk bekam jede Hofstelle 40 Desjatinen. Natürlich lag der Anteil jedes Siedlers unterschiedlich: einer auf dem Hügel, ein anderer in der Ebene oder beim Fluss... Das Geld zum Kauf des Landes in Höhe von 600 Rubel nahm man als Kredit bei der Gosbank und musste nachher mit hohen Zinsen zurückzahlen. Bis 1933 sollte dieser Kredit zurückgezahlt sein. Im Fall der Nichtzahlung einer Jahresrate, war alles vorher eingezahlte Geld verloren und man musste den Kredit von Neuem abbezahlen.
Erste Einwohner des Dorfes waren 12 Familien:
1. Will (Bergmann) |
7. Gosse |
2. Fast F. (Epp K.K.) |
8. Fast |
3. Sawadski (Ken K.K.) |
9. Isaak |
4. Dück (Kliewer) |
10. Heide K. (Fast Ja.F.) |
5. Fröse Ja. (aus Muntau, Taurien) |
11. Ken Heinrich (Zimmermann, führte beim Bau der Schule die Zimmermannarbeiten aus) |
6. Lange |
12. Wedel Jakob |
Nach einem Jahr kamen weitere Einwohner. Es bildeten sich zwei Gruppen- Alte und Neue. Jede Gruppe hatte einen eigenen Dorfschulzen. Sie stritten sich oft. In jedem Dorf gab es einen Landvermesser, der das Dorf ausmaß (in Dolinsk war das Kornas?). Alle Häuser wurden nach einem Plan gebaut. Im ersten Jahr baute man auf dem Hof provisorische Behausungen. Die Leute wohnten bis zu 8 Jahren darin und bauten dann Häuser. Die Entfernung zwischen den Häusern betrug 60 m, von einem Haus bis zur Straße 15 m, zwischen der ersten Reihe der Bäume von der Straße bis zum Zaun 2 m. Alle Entfernungen wurden genau ausgemessen und waren überall im Dorf gleich. Der Garten endete mit den Bäumen (hauptsächlich Pappel und Ahorn). Ab 1900 pflanzte man dreimal Bäume. Zuerst wurden die Pappeln gepflanzt, die teilweise nach Frostperioden abstarben, danach wurden Ahornbäume gepflanzt. Wegen der Feuergefahr durften keine Kiefern gepflanzt werden.
Zwischen den Wirtschaften gab es grüne Begrenzungen – Weiden und Johannesbeersträucher. Die Siedler brachten mit sich: Johannesbeer-, Stachelbeer-, Himbeersträucher, Kirsch- und Apfelbäume, aber auch Blumen – Päonien, Lilien, Tulpen, Irisse, Rosen und andere.
Die Dorfbewohner pflanzten das alles gleich in ihren Vorgärten, deshalb nahmen die Dörfer sehr schnell einen sehr schönen Anblick an. Sie waren wie Oasen in der Steppe.
Nach der Volkszählung vom 25. März 1919 gab es in Dolinsk 39 Wirtschaften. Insgesamt 226 Personen, davon 122 männlich.
Volkszählung in Dolinsk vom 25. März 1919:
Franz Isaak |
Heinrich Reimer |
Heinrich Unruh |
Abram Löwen |
Gerhard Neufeld |
Aaron Tissen |
Jakob Dickmann |
Enns Heinrich |
Johann Warkentin |
Klaus Wittenberg |
Aaron Warkentin |
Franz Fast |
Jakob Fröse |
Heinrich Nickel |
Johann Nickel |
Abram Sawadski |
Jakob Fast |
Jakob Johann Wiens |
Jakob Wedel |
Johann Dück |
Andreas Voth |
David Warkentin |
Heinrich Janzen |
Peter Kröcker |
Heinrich Ken |
Kornelius Geide |
Wilhelm Neufeld |
Kornelius Beier |
Johann Töws |
Jakob Kröcker |
Franz F. Fast |
Peter Kliewer |
Jakob Klassen |
Abram Funk |
Jakob Heidebrecht |
Johann Neufeld |
Gerhard Wedel |
Jakob Tissen |
1967 gab es 96 Wohnhäuser: davon 28 alte und 68 neue. 1990 sind von den alten Häusern noch 21 geblieben:
Podolski |
Epp |
Löwen Kornej |
Kuzbach |
Fast Fr. |
Giesbrecht |
Warkentin |
Voth Heinrich |
Fröse |
Voth Johann Andreas |
Nachtigal |
Schule (Riesen’s Haus) |
Dück |
Kliewer Peter |
Franz |
Fast |
Kröcker |
Born |
Stobbe |
Janzen |
|
Warkentin |
Auf der Dorfversammlung wurde der Dorfschulze gewählt. Er gab Acht auf die Ordnung im Dorf, registrierte die Kinder, die Todesfälle und die Ehen. In allen Fragen wendeten sich die Dorfbewohner an ihn. Bei Bedarf rief er die Dorfversammlung zusammen. In seinen Verantwortungsbereich fielen auch Vormundschaftsfragen und Adoptionen.
In Dolinsk gab es 1.740 Desjatinen Land. Sie gehörten 43 Besitzern. Nur Dück besaß zwei Anteile. Meistens besaß jeder 1-3 Kühe und 1-3 Pferde. 10-12 Kühe und 10-12 Pferde hatten nur wenige Leute. Am 24. Januar 1929 besaßen die Dorfbewohner: 43 Arbeitspferde, 84 Stuten, 56 Fohlen, 107 Kühe, 6 Jungkühe, die noch nicht gekalbt haben, 81 Stück Jungvieh, 65 Ziegen und Schafe, 83 Schweine und 740 Stück Geflügel. Droschken, Pflüge, Sä-, Dreschmaschinen und anderes Gerät wurden aus der Ukraine geholt. So bestellte Jakob Fröse eine Droschke in der Ukraine, sie wurde per Bahn nach Sorotschinsk gebracht, wo man dann die Pferde eingespannt hat und darauf nach Hause gefahren ist.
1925 organisierten die Dorfbewohner Günter J.G., Sawadski A.A., Neufeld, Enns P., Regehr und Toporow eine Genossenschaft, die in Busuluk einen „Fordson“-Traktor kaufte, mit dessen Hilfe sie das Land bearbeiteten und das Getreide droschen.
In Pleschanowo besaß Dück eine Molkerei, in der die Milch zu Butter und Käse verarbeitet wurde. Er kaufte in allen Dörfern die Milch auf. In Dolinsk gab es eine Mühle, die sich an der Stelle des Hauses von Nachtigal D.D. befand. Die Mühle wurde von einem Verbrennungsmotor angetrieben.
In jedem deutschen Dorf gab es gewöhnlich einen religiösen, einen Folklore- und einen Musik- (Gitarren und Philharmonie) Chor. In Dolinsk gab es einen Chor, der zuerst von Nickel und dann von D. Warkentin geleitet wurde. Proben gab es einmal in der Woche. Es wurden Treffen zwischen den Dörfern organisiert, Theaterstücke aufgeführt, zuerst auf Deutsch und später auf Russisch. Aufgeführt wurden solche Stücke wie „Heimtücke und Liebe“ von Schiller, „Gewitter“ von Ostrowski u.a.
1929 wurde eine Dorfversammlung einberufen, auf der entschieden wurde eine Kolchose zu gründen. Es wurde beschlossen zur Führung der Kolchose eine Leitung zu wählen. Als erster Vorsitzender wurde Johann Heinrich Günter gewählt. Im Vorstand waren G.U. Ratzlaff und G. Wedel. Es wurde eine Liste des ganzen Besitzes der Bauern hergestellt.
Dann kam eine Anordnung aus dem Busuluker Ujesd, dass in Pleschanowo eine Versammlung von Bevollmächtigten einberufen wird. Auf dieser Versammlung wurde beschlossen alle deutsche Dörfer in einer Kolchose zu vereinigen. Nachher wurden die Kolchosen noch mehrmals vereinigt und geteilt. 1934 wurde in Dolinsk die Kolchose „Hoffnung“ gebildet, später wurde sie in „Dimitrow“ umbenannt, nachher wurde sie mit Bogomasowo und Annenskoje in einer Kolchose vereinigt.
Schwere Zeit fing mit dem Ausbruch des Krieges gegen Deutschland an.
In Dolinsk gab es 1929 (zu Anfang der Kollektivierung) 43 Hausbesitzer, die 1740 Desjatinen Land besaßen. Jeder hatte Pferde, Kühe und landwirtschaftliches Gerät. Es gab Bauern, die 1-3 Pferde und Kühe hatten, es gab aber auch welche die 10-18 Kühe und Pferde besaßen.
Entkulakisiert wurde Riesen (das Schulgebäude). Er war kurz davor nach Dolinsk aus Dawlekanowo, Baschkirien gekommen. Jeder führte eine eigene Wirtschaft: es wurden Getreide, Gemüse und Ölfrüchte zur eigenen Ernährung und als Viehfutter angebaut, die Überschüsse wurden an den Staat verkauft. Diejenigen, die überschüssige Milch hatten, verkauften sie an ....., er hatte in jedem Dorf Sammler.
1929 wurde eine Dorfversammlung einberufen, auf der allen vorgeschlagen wurde in die Kolchose einzutreten. Keiner wusste was das sein sollte, es gab viel Gerede und Gerüchte. Es gab Zweifel, aber man konnte sich dem nicht widersetzen – die Kolchose wurde gegründet, gegen den Willen des Volkes. Die Bauernwirtschaften wurden ruiniert. Vorsitzender der ersten Kolchose war Johann Günter, die aber nur wenige Tage existierte. Nach einigen Tagen kam aus dem Busuluker Ujesd eine Anordnung, in Pleschanowo Bevollmächtigte aller 14 deutscher Dörfer zu versammeln. Dort wurde beschlossen eine große Kolchose zu gründen. Als Vorsitzender wurde Tolkowitsch gewählt, seine Stellvertreter wurden W.Derra und Kröcker. Aus Dolinsk wählte man Johann Dück und D.D. Warkentin. Die Kolchose wurde nach Rosa Luxemburg benannt. Jedes Dorf bildete eine Ökonomie. In Dolinsk wurde sie in 4 Brigaden aufgeteilt. In 1. Brigade war G. Fast Brigadier, in der 2-en Jakob Kröcker, in der 3-en Abram Funk und in der 4-en Johann Günter.
Man fing damit an, dass alle Kühe und Pferde der Kolchose übereignet wurden. Sie wurden in mehrere Scheunen zusammengetrieben. Man ging dorthin um die Kühe zu melken und jeder Dorfbewohner bekam einen halben Liter Milch. Das Vieh begann zu krepieren. Danach wurde je eine Kuh zurückgegeben und die restlichen Kühe nach Kamenez geschafft, wo ein Viehzuchtbetrieb gegründet wurde. Die ganze landwirtschaftliche Gerätschaft wurde eingesammelt, das Land der Kolchose übereignet, die Bauern behielten nur ihre Gärten in der Nähe der Häuser. Sehr viele Geräte wurden gestohlen. Viele Kühe und Pferde krepierten, da ihre Versorgung schlecht war und es kein Futter gab. Zum Frühling wurde das Vieh ganz schwach. Im Frühjahr wurde mit Kühen gepflügt und gesät. Die Leute wussten einfach nicht was und wie es gemacht werden sollte, und aus der Rayonverwaltung kamen jeden Tag neue Anordnungen, die sich oft widersprachen.
1932 wurde die Kolchose aufgeteilt. Dolinsk und Donskoje blieben zusammen (R. Luxemburg). Als Vorsitzender wurde Jakob Jakob Wiens gewählt. Viehzüchter waren – A. Ja. Unruh und K.K. Unruh. Mitglieder des Vorstandes aus Dolinsk waren A.A. Funk und G.I. Ratzlaff. 1934 wurde in Dolinsk eine eigene Kolchose namens „Hoffnung“ gegründet, die 1937 zu „Dimitrow“ umbenannt wurde. Vorsitzender wurde Johann Jakob Fröse. Die Bildung der gemeinsamen Wirtschaft ging sehr schwer voran. Die Leute wussten nicht was sie machen mussten, es gab viele unsinnige Anordnungen. Die Anzahl des Viehs wurde ganz klein. Die Bauern gaben ihre Kühe nicht für die landwirtschaftlichen Arbeiten her, sie wurden gewaltsam genommen, in dieser schrecklichen, dunklen Zeit wurde die Kuh zur einzigen Ernährungsquelle der Familie.
Es fingen Verhaftungen von unschuldigen Menschen an. Als erster wurde 1932 Fr.Fr. Fast verhaftet, er saß seine Haftzeit von 10+10+5 Jahren ab, und kam als einer der wenigen nach Hause zurück. Dann wurde sein Bruder Heinrich F. Fast verhaftet. Verhaftet und erschossen wurde Heinrich Jakob Janzen (geb. 1871) – er war ein Prediger. Alle die vor Gericht gestellt wurden, beschuldigte man des Heimatverrats, der Spionage usw.. Man verurteilte sie nach einem politischen Paragraphen und sie kamen nie wieder zurück. Sie wurden hart gefoltert, bis zum Äußersten gebracht und erschossen. Den Verwandten antwortete der KGB auf ihre Anfragen, dass die Verhafteten verurteilt sind ohne das Recht zum Briefwechsel und später an Krankheiten gestorben sind. So wurden aus Dolinsk 29 Personen spurlos weggebracht. Alle wurden erschossen und in der „Sauraljnaja Roschja“ begraben.
Die schwerste Zeit begann mit dem Ausbruch des Krieges 1941. Nach einer Verordnung vom 28. August 1941 fing die offene Verfolgung aller Deutschen, unabhängig von ihrem Wohnort, an. Aus dem Wolgagebiet wurden alle Deutsche nach Sibirien und Kasachstan verbannt. Auch unsere Dörfer wurden für eine vollständige Räumung vorbereitet, aber man entschied wohl, dass Ural Region nicht Ukraine ist und es wurde beschlossen die ganze arbeitsfähige Bevölkerung in die Trudarmee einzuberufen. Schon im Herbst 1941 und im Frühjahr 1942 wurden alle Männer aus dem Dorf nach Molotow und Tscheljabinsk geschickt. Es waren 41 Personen, davon sind 13 an Hunger gestorben. Im Herbst 42 wurden alle Frauen im Alter von 16-60 Jahren, die kinderlos waren oder mehr als 3 Kinder hatten, die älter als drei Jahre waren, mobilisiert. 44 Frauen wurden weggebracht, eine ist gestorben. 8 Frauen wurden als „Ehefrauen von Heimatverrätern“ deportiert (2 starben an Hunger), mit ihnen waren noch 8 Kinder. An der Front gab es zu Anfang des Krieges 12 Personen, sie wurden nach der Verordnung vom 28. August 1941 in die Trudarmee geschickt (5 davon starben). Nach ihren Erzählungen war es in der Trudarmee schlimmer als an der Front. Als letzte brachte man 11 Kinder im Alter von 16 Jahren nach Dombarowka. Zu Tode gequält in den Gefängnissen wurden noch 5 Leute, die aus ganz nichtigen Gründen verurteilt worden waren. Insgesamt sind von den 250 Personen und 39 Höfen 155 Personen deportiert worden, von denen etwa 60 Personen einen schrecklichen Tod starben.
Im Dorf blieben nur Kinder (unter 15 Jahre), Frauen mit kleinen Kindern (unter 3 Jahre) und alte Menschen. Auf ihnen lastete die ganze Schwere der Arbeit in der Kolchose. Sie haben die ganze Arbeit getan: Kühe melken, Wasser aus dem Brunnen holen, Ausmisten der Ställe, Tragen des Futters mit Körben. Im Winter brachten sie das Futter auf den Bullen vom Feld zu den Ställen. Mähen, Füttern, Dreschen, Pflügen und Säen auf dem Feld – alles wurde per Hand gemacht. Dazu haben sie auch noch keinen Lohn bekommen. Mehl gab man soviel, dass es nur zu einmal Brotbacken, zum Neujahrsgebäck und Mehlsuppe reichte. In den Gärten wuchsen die Kartoffeln und das Gemüse schlecht, da der Boden nicht gepflügt wurde, zum Bearbeiten hatte man keine Zeit und auch keine Kraft. So mussten die meisten Familien hungern. Zudem sind noch viele Evakuierte aus den Westgebieten gekommen. Die Dorfbewohner mussten hohe Steuern, Zwangsanleihen und Naturalabgaben leisten. Man musste alles abgeben: 220 Liter Milch (Butter), 200 Eier, 80 kg Fleisch, Wolle usw.. So konnte man an den Kauf von Kleidung und Schuhen nicht mal denken. Die Kleidung wurde ganz abgetragen und man schlief auf dem Stroh. Man fror sehr stark, da die Kuhmistbriketts (Kisjak), die gemacht worden sind, für die langen und kalten Winter nicht ausreichten. Die Menschen froren und hungerten in ihren Häusern. Man arbeitete Tag und Nacht – tagsüber in den Ställen, nachts schob man Heu, drosch und trennte Spreu vom Getreide, trug Säcke.
Aber am Schlimmsten waren die Briefe aus der Trudarmee und das unbekannte Schicksal der verurteilten Väter, Ehemänner und Söhne. In fast jedem Brief aus der Trudarmee erfuhr man vom Tod eines der Dorfbewohner, der an Hunger oder am harten und hungrigen Leben gestorben war. Wenn Menschen starben, brachte man sie außerhalb des Lagers und warf dort in den Schnee. In einigen Familien sind 2-3 Männer an Hunger gestorben. (Mehr dazu im Album).
Man arbeitete bis zur Erschöpfung und wartete sehnsüchtig auf das Kriegsende. Aber der Krieg endete und es durfte trotzdem keiner nach Hause. November 1948 kam die Anordnung heraus, dass die Deutschen auf „ewige Zeiten“ verbannt worden seien. Bei einer Übertretung der Anordnung gab es 20 Jahre Zuchthaus. So ist der Tag auch nicht gekommen, an dem man den Trudarmeern sagte, dass sie nach Hause zurückkehren können. Viele Familien sind zerrissen worden, die Kinder haben ihre Eltern verloren, Geschwister ihre Brüder und Schwestern. Es war für das ganze Volk eine große Tragödie.
Aber man musste weiterleben. Trotz der Tatsache, dass die Deutschen Sonderübersiedler waren (d.h. sie standen unter der Sonderkommandantur), und alle die eigenmächtig aus Trudarmee zurückkehrten, vor Gericht gestellt wurden (bis zu 8 J. Gefängnis bekamen sie), wurde nach und nach alles wie früher aufgebaut. Während des Krieges war G.I. Ratzlaff Kolchosvorsitzender, der die Kolchose bis zu den Grundfesten ruiniert hat. 1946 wurde an seiner Stelle D.G. Nachtigall Vorsitzender. Er war ein erfahrener Verwalter und die Kolchose wurde langsam aufgebaut. Die Menschen fingen wieder an ihr Leben in Ordnung zu bringen. In der Kolchose bekam man wieder mehr für die Arbeitseinheiten. Die Kinder begannen in der Mittelschule zu lernen. Einige besuchten sogar Fachoberschulen und Fachhochschulen. Es gab aber nur sehr wenige davon, die Deutschen wurden nur ungern aufgenommen. Von 1953 an wurden junge Männer in die Armee einberufen.
Anfang der 50-er Jahre gab es im Land eine Welle von Vereinigungen von kleineren Kolchosen. So wurde 195.. unsere Kolchose „Dimitrow“ an das Dorf Bogomosowo angegliedert (zuvor war Bogomasowo 195.. schon mit Annenskoje vereinigt worden). Die neue Kolchose wurde „Schwernik“ benannt. Später, wurden noch Sredne-Iljasowo und Nischne-Iljasowo angeschlossen, die Kolchose hieß dann „Rodina“ (auf Deutsch Heimat). Dann sind noch im Jahre 19.. Nowo-Iwanowka und die Kolchose Komsomolez angegliedert worden. Es gab dann insgesamt 7 Brigaden: 2 deutsche, 2 baschkirische, 2 mordowische und 1 russische.
1967 wurde der 50-te Jahrestag der kommunistischen Machtergreifung gefeiert. Überall gab es Feiern und Volksfeste. 1967 hatte Dolinsk 1.893 ha Ackerland, 254 Kühe, 230 Kälber, 560 Schweine, 36 Pferde. In der Viehzucht waren etwa 50 Personen beschäftigt. Im Ackerbau arbeiteten 16 Personen. An Technik gab es: 9 Traktoren, 3 Mähdrescher usw.. Privat gehalten wurden 480 Kühe. Am 15. Januar 1970 hatte das Dorf 482 Einwohner.
Nach dem Krieg wurden 68 neue Häuser gebaut. 1967 sind 28 alte Häuser geblieben. Im privatem Besitz gab 21 Pkws, 53 Motorräder, 120 Nähemaschinen, 105 Waschmaschinen und 5 Kühlschränke. Am 7. November 1971 wurde der neue Klub eröffnet (auf dem Platz der alten Schule). Und am 1. September 1972 wurde die Schule im ehemaligen Riesen’s Haus eröffnet. Das Leben verlief in ruhigen Bannen. Die Menschen starben, wurden geboren und feierten Hochzeiten. Der Brauch denjenigen zu helfen, die in Unglück gerieten, war erhalten geblieben. Alle versammelten sich bei Beerdigungen. Die Hochzeiten wurden mit dem ganzen Dorf gefeiert. Die Brüdergemeinde in Donskoje wurde neu aufgebaut. Junge Leute fuhren nach Orenburg und andere Städte, um dort zu studieren, aber meistens kehrten sie wieder zurück. Es gab nun eigene Lehrer, Mediziner, Agronomen, Ingenieure usw..
Aber 1989 begann eine neue Auswanderungswelle - nun schon nach Deutschland. Bis zum 1. Juli 1992 sind bereits 70 Familien emigriert. Der größte Teil hat seine Unterlagen für die Einreisegenehmigung schon abgeschickt.
1990 wurde das 100-jährige Jubiläum der Neu Samara Siedlung groß gefeiert. Es war ein Abschiedsfest der Deutschen in Russland. In den Dörfern fanden die Feiern am 16. Juni statt, und am 17. Juni in einem Wald bei Kuterlja. Gedenkstellen zu Ehren der ersten Siedler wurden eröffnet.
Die Auswanderung dauert an: ganze Familien fahren weg.
Elvira Heinrich Nachtigall (geb. Wiens) |